Die GEMA, Musik-Verlage und ein Ex-Pirat auf Kaperfahrt

Von | 4. Januar 2017

Meine Meinung zu den Auswirkungen des Gerichtsurteils vom 14. November 2016 und der Versuch, einige Begriffe rund um das Urheberrecht zu erklären.

 

… in dem ich mich aufrege, wieder beruhige und beschließe einen Blog-Artikel zu schreiben.

24. Dezember 2016, 13:30 Uhr. Es klingelt an der Haustür. Der Weihnachtsmann? Es ist noch nicht einmal dunkel. Aha, der Postbote. „Bitte eine Unterschrift, Einschreiben!“ Panik kommt auf. Bußgeldbescheid? Strafanzeige? Ich will gerade „unschuldig!“ rufen, als mein Blick auf den Absender fällt: ein Musikverlag. Uff! – Dazu muss ich etwas schreiben.

 

… in dem ich einige Begriffe erkläre, damit jeder versteht, worum es geht.

Ich kann mir denken, dass viele Musikerinnen und Musiker „music-knowhow“ lesen, die nicht Mitglied in der GEMA sind, aber eigene Kompositionen oder Texte veröffentlichen möchten. Ich bin selbst seit vielen Jahren in der GEMA und kann aus persönlicher Erfahrung berichten. Das will ich hier – so kurz wie möglich – tun.

 

Einige Begriffe, kurz erklärt

Urheber und GEMA

Wer Musik komponiert oder Texte schreibt, ist ein Urheber und besitzt das Recht auf sein geistiges Eigentum. Urheber können Geld dafür verlangen, wenn ihre Werke aufgeführt oder vervielfältigt werden. Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) sorgt in Deutschland dafür, dass die Urheber entlohnt werden. Damit das funktioniert, müssen Urheber Mitglieder der GEMA sein und ihre Titel bei der GEMA anmelden. Die Vervielfältigung auf Ton- und Bildträgern wird bei der GEMA registriert. Rundfunksender, Konzertveranstalter u.a. müssen Listen führen, welche Titel gespielt wurden. Auch der online-Vertrieb mit Downloads und Streaming wird erfasst.

Der Musikverlag

So wie ein Buchverlag Bücher veröffentlicht, war ein Musikverlag früher für Druck und Verkauf von Noten zuständig. Weil das in der Pop- und Rockmusik kaum eine Rolle spielt, hat der Verlag dort andere Aufgaben übernommen.

Ein Beispiel: Es kommt vor, dass ein Verlag das gesamte Risiko einer Album-Produktion trägt. Durch eine prozentuale Beteiligung an den Urheberrechten der Kompositionen und Texte muss das Geld wieder herein kommen. Wie die Urheber, bekommt der Verlag seinen Anteil ebenfalls von der GEMA. Zwischen Urheber und Verlag wird dazu ein Verlagsvertrag abgeschlossen. Auch wenn Komponist und Textdichter nicht mit dem Künstler identisch sind, profitieren sie davon, weil die Titel erst Geld einbringen, wenn sie veröffentlicht werden. Meistens nimmt der Verlag die GEMA-Anmeldung für die verlegten Titel vor.

Urheber, die auf die Unterstützung durch einen Verlag verzichten wollen, können ihre Werke auch direkt bei der GEMA anmelden; in diesem Fall wird kein Verlagsanteil abgezogen.

Die Plattenfirma

Die Bezeichnung Plattenfirma hält sich immer noch, obwohl nur noch wenige Schallplatten hergestellt werden. CDs verkaufen sich im Zeitalter des digitalen Vertriebs auch nicht mehr so gut wie früher, sind aber nach wie vor die wichtigsten Tonträger. Die Plattenfirma ist für die Vervielfältigung zuständig und beteiligt die ausübenden Künstler an den Einnahmen des Tonträger-Verkaufs. Für jede gepresste CD geht ein Betrag an die GEMA, die ihre Einnahmen nach Abzug einer Gebühr an Urheber und Verlag auszahlt.

Was ich hier „in Kürze“ geschrieben habe, beantwortet natürlich nicht jede Frage, dazu ist das Thema zu komplex! Links zu weiteren Informationen am Ende dieses Artikels

 

… in dem ich mich ärgere und auch wieder nicht.

Wer die GEMA nicht liebt

  1. Ich.
    Das bezieht sich aber nur auf ein einziges Ereignis und das liegt Jahrzehnte zurück. Als wir mit unserer Band einmal selbst ein Konzert veranstaltet haben, musste ein Betrag an die GEMA abgerechnet werden. Ich habe damals der GEMA geschrieben, dass wir nur Eigenkompositionen spielen, aber das half nichts. Einmal geärgert – aber heute kann ich es verstehen.
  2. Disco-Betreiber und Konzertveranstalter. In den letzten Jahren sind für diese die GEMA-Abgaben in die Höhe gegangen, was für manche eine Härte bedeutet.

Wer die GEMA liebt

  1. Ich.
    Auch wenn man nur ab und zu als Co-Autor oder Sub-Texter für Titel in englischer Sprache tätig ist, kommen regelmäßig ein paar Euro herein, auf die man als Nicht-Mitglied der GEMA verzichten müsste. Gefällt mir!
  2. Alle Komponisten, Textdichter, Arrangeure, Verleger, die mehrmals im Jahr von den Ausschüttungen profitieren.

 

… in dem ich endlich zur Sache komme.

Ein Mann mit Hut

Jetzt komme ich zum eigentlichen Anlass für diesen Artikel. „Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein“ heißt es in einem Shanty. Boris Kramm trägt Bart. Er ist Musiker („Das Ich“), ehemaliger Chef der Berliner Piraten (Partei) und jetzt bei den Grünen (ebenfalls Partei). Bruno hat die GEMA verklagt und gewonnen.

Fotos gibt es reichlich im Web, hier eine Zeichnung vom Autor dieses Artikels

 

Es ging in diesem Prozess darum, dass die GEMA Lizenzanteile direkt an Verlage auszahlt. Das ist nach dem Urteil nur noch mit schriftlichem Einverständnis der Urheber erlaubt. Hallo?! War das jemals anders? Verlagsverträge gibt es doch schon immer! Auf jeden Fall hat das Urteil des Berliner Kammergerichts vom 14.11.2016 bewirkt, dass die GEMA sich schriftlich an ihre Mitglieder gewandt hat. Zitat aus einem Schreiben der GEMA: „Allerdings darf die GEMA nicht mehr für alle verlegten Werke annehmen, dass diese Bedingungen erfüllt sind sondern muss die Voraussetzungen für die Verlegerbeteiligung mit Hilfe Ihrer Mitglieder für jedes betroffene Werk klären.“ Ich kann daraus nur schließen, dass das früher nicht der Fall war, man hat wohl die Anmeldung eines Titels durch den Verlag akzeptiert und die Rechtmäßigkeit der Angaben vorausgesetzt. Es ist ja auch nur logisch, das Verlage sich die Rechte vor der GEMA-Anmeldung vertraglich sichern.

Mit einem Anschreiben und per E-Mail hat die GEMA alle Verlage aufgefordert, Vereinbarungen mit den Urhebern zu überprüfen oder eine Bestätigungsvereinbarung zu treffen. Das ist der Grund, warum Urheber Post vom Verlag bekommen. Zwei Verlage haben mir solche Vereinbarungen zur Unterschrift zugeschickt, obwohl in beiden Fällen ein Verlagsvertrag besteht. Es lebe der Papierkrieg! Die Rücksendung hat mich einmal 60 Cent und einmal 90 Cent (nach Österreich) gekostet. Nicht schlimm – aber man multipliziere das mit der Anzahl der GEMA-Mitglieder (68.000), da freut sich die Post.

Musikverlage haben aber noch mehr Arbeit bekommen. Sie müssen ihre Rechte durch ein Elektronisches Bestätigungsverfahren (EBV), das zu diesem Zweck eingerichtet wurde, geltend machen. Außerdem: An alle Beteiligten, also Urheber und Verlage, erfolgen im Jahr 2017 die Frühjahrs- und Sommer-Ausschüttungen jeweils zwei Monate später als sonst.

Im Januar 2017 empfahl Kramm Musikern in einer Video-Botschaft, sie sollten anstatt einem Verlag die Bestätigungsvereinbarung zu unterschreiben, detaillierte Nachweise verlangen, was der Verlag bisher für sie geleistet hätte. Bei unzureichenden Leistungen sei der Vertrag anfechtbar. Ich bezweifle, dass bei solchen Aktionen für irgendwen etwas Positives heraus kommt. Ich meine, wie bei jedem Vertrag sollte man sich auch beim Verlagsvertrag vorher genau überlegen, ob es Sinn macht, ihn zu unterschreiben!

Fazit

Ist Bruno Kramm nun ein Held, der Urhebern eine gerechtere Entlohnung verschafft hat? Ich wüsste dazu gern die Meinung meiner Leserinnen und Leser, vor allem, falls sie meiner Ansicht widersprechen. Ich denke nämlich, dass das Gerichtsurteil nur die Bürokratie fördert. Noch mehr Formulare, Anträge, Bestätigungen usw. sowie höhere Verwaltungskosten, um das alles zu bearbeiten. Die Verzögerung der Ausschüttungen um zwei Monate kann für kleine Verlage sowie Komponisten und Texter, die auf diese Einnahmen angewiesen sind, zu einem Problem werden. Die GEMA verspricht zwar Vorauszahlungen in Härtefällen, aber das geht bestimmt auch nur über Anträge, die wiederum bearbeitet werden müssen.

“Update°:

Am 19. Januar 2017 erfuhr ich durch ein Schreiben des Vorstands der GEMA von neuen Beschlüssen. Danach wurde der Ausschüttungstermin für Verleger vom 1. Januar 2017 auf den 1. Juni 2017 verschoben. Abschlagszahlungen sind aber möglich. Ausschüttungen an Autoren erfolgen wie bisher.

Die GEMA wird gegen das Urteil des Berliner Kammergerichts vom 14. November 2016 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Zitat aus dem Schreiben der GEMA:
“Vor diesem Hintergrund erfolgen die Verteilungen der GEMA , soweit verlegte Werke betroffen sind, bis auf Weiteres nur vorläufig und unter dem Vorbehalt einer Korrektur unter Berücksichtigung des Ausgangs des gegen die GEMA geführten Rechtsstreits.”

 

Mehr Infos

In einem Artikel, den ich kürzlich im Internet gelesen habe, wurde die GEMA als „geheimnisvolle Organisation“ bezeichnet. Das ist ganz einfach Quatsch! Informationen findet man in einem ausführlichen Artikel bei Wikipedia und hier, direkt auf der Website der GEMA.

Meine aktuellen Testberichte und mehr zum Thema Musik immer hier…

Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis meiner Artikel auf facebook hier…

 

6 Gedanken zu „Die GEMA, Musik-Verlage und ein Ex-Pirat auf Kaperfahrt

  1. Andreas Ecker

    Hallo Jürgen,
    so wie Du es beschreibst, kann ich Dir nur zustimmen: Die Notwendigkeit, Verträge nochmals bestätigen zu müssen – ohne inhaltliche Änderung – ist schlicht schwer nachzuvollziehen.
    Zu Deiner negativen Erfahrung mit der GEMA, nämlich Gebühren für das Aufführen eigener Songs zahlen zu müssen: Genau das hat mich vor 10 Jahren davon abgehalten, ein Label zu gründen. Ich habe das Problem damals sogar mit der GEMA telefonisch durchexerziert, weil ich es nicht glauben wollte. Dabei stellte sich tatsächlich heraus, dass ich für Streams meiner eigenen Musik mit mehr als 20 (?) Sekunden Länge an die GEMA hätte Gebühren abführen müssen. Ich habe dann gefragt, ob diese Gebühren wenigstens wieder zu mir zurückfließen würden. Das leider nicht, hieß es. Nur Künstler ab einem gewissen “Mindestumsatz” oder einer “Mindestpopularität” (ich habe das Kriterium nicht mehr exakt im Kopf) würden aus dem Topf bedient, diese würden dann auch jene Gebühren erhalten, die ich für meine eigenen Sachen gezahlt hätte.
    Weißt Du zufällig, ob das heute auch noch so ist?
    Viele Grüße
    Andreas.

  2. Jürgen Drogies Beitragsautor

    Hallo Andreas,
    Hörproben von 20 – 30 Sekunden werden – soweit ich gehört habe – inzwischen toleriert. Das weiß ich aber nicht mit Sicherheit, kann sein, dass man eine andere Auskunft bekommt, wenn man direkt bei der GEMA anfragt.

    Dass manche Einnahmen nur an Mitglieder verteilt werden, die sowieso gut verdienen, wäre meiner Meinung nach ein besserer Grund vor Gericht zu klagen, als die Verlags-Angelegenheit! Gerade im Computer-Zeitalter sollte es möglich sein, auch kleine Beträge gerecht zu verteilen, ohne dass der Verwaltungsaufwand zu groß wird.

    Die Bestätigung der Verlagsvereinbarungen ist nur ein riesiger Bürokratie-Aufwand und alle Beteiligten, auch Herr Kramm, bekommen 2017 die Ausschüttungen 2 Monate später. Ein Eigentor, finde ich.

    Ich denke, dass viele Leute auf die GEMA schimpfen, die sich gar nicht damit auskennen. Da findet man online Headlines wie “Tod der GEMA”. Deshalb habe ich in meinem Artikel ein paar Begriffe kurz erklärt.

    Wer an Produktionen von Musikern, die in der GEMA sind, als Komponist oder Texter mitarbeitet, muss auch in diesem Verein sein, sonst gibt es keinen Cent.

    Vielen Dank für Deinen Beitrag und beste Grüße
    Jürgen

  3. Jürgen Drogies Beitragsautor

    Aktuelle Neuigkeiten zum Thema GEMA habe ich meinem Artikel unter der Überschrift “Update” am 19. Januar 2017 hinzugefügt!

  4. Ralf Zenker

    Hallo,

    es ist der blanke Unsinn!
    Wie so oft in unserem Business, gibt es leider Künstler, die jeden Scheiss unterschreiben, ohne zu lesen oder zu wissen was es ist. Hauptsache der Scheck winkt.

    Wenn jemand zu blöde ist, Verträge zu lesen oder sich erklären zu lassen, der zieht dann vor Gericht und bei einem Richter ohne Eier, kommt dann solch ein Urteil zustande.

    Die ganze Thematik ist nicht praktikabel und die GEMA lässt hier ganz klar die Verlage fallen!
    Alles was sie liefert, ist eine Liste mit Titeln und Autoren, die die Verlage auch so schon haben oder downloaden können. Nein, nicht nur die eigenen Autoren sind in dieser Liste, sondern ALLE.
    Hier muss man jetzt schauen, welcher bei einem im Verlag ist und diesen dann anschreiben.
    Auch Künstler im Ausland…wenn man denn noch eine Anschrift hat.

    Warum lässt sich die GEMA nicht wenigstens von allen Mitgliedern pauschal Bestätigen, dass sie mit der alten Regelung einverstanden sind?
    Somit wäre der Grossteil schon geklärt. Die paar Autoren, die noch immer nicht verstehen, worum es geht, kann man dann separat klären.

    Nein, wir lassen lieber alle Verlage arbeiten und Listen mit tausenden Titeln durchforsten.

    Frei nach Wirtz: “Man kann gar nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte”

    Gruss

    Ralf

  5. Katharina Weihers

    Hallo, ich hätte da eine Frage: Wie verhält sich das wenn ich nur eine CO-Verlagsbeteiligung besitze (50%) und dadurch nur einen Vertrag pro Album mit dem Ursprungsverlag habe? Ich hatte nie direkt mit den Autoren/Komponisten zu tun wurde aber aufgefordert ebenso alles bestätigen zu lassen und diese dicke Liste zu bearbeiten. Mir raucht der Kopf! Grüße und Danke Katharina

    1. Jürgen Drogies Beitragsautor

      Hallo,
      ich würde bei dem Ursprungsverlag, der die Verträge mit den Autoren abgeschlossen hat nachfragen, ob das Ausfüllen der Listen durch den Co-Verlag wirklich nötig ist. Wenn die direkten Vertragspartner der Autoren das machen würden, wäre es ja sinnvoller. Und doppelt müsste eigentlich auch nicht sein, denke ich jedenfalls. Die Gema gibt auch Auskünfte, per Mail oder Telefon. Ich hoffe, dir bleibt der Papierkrieg erspart!
      Viele Grüße, Jürgen

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