Gibson Les Paul Futura

Von | 3. September 2014

Dieses hier ist kein Testbericht, sondern ein Zwei-Monats-Erfahrungsbericht mit ein paar Anmerkungen aus ganz persönlicher Sicht. Und vielleicht eine Entscheidungshilfe für Leser, die an dieser „Paula“ interessiert sind.

Vorwort

Meine allererste Liebe zu einem Musikinstrument galt einer E-Gitarre. Trotz der tollen Möglichkeiten am Computer zieht es mich auch heute immer wieder zur „Klampfe“. Zeitweise war ich Besitzer einer Gibson SG, wechselte dann aber ins Fender-Lager. Ich erwarb 1974 eine Fender Telecaster Custom, die laut Musikhändler Gibson- und Fendersound gleichermaßen ermöglichen sollte, denn sie hat sowohl einen Humbucker als auch einen Single Coil Pickup. Es stellte sich aber heraus, dass sie stattdessen einen eigenen Klangcharakter besitzt, den ich zum Glück sehr mag. Ich besitze das Instrument heute noch.

Die Les Paul ist für mich die Rock-Kultgitarre von Gibson schlechthin. Ob früher Eric Clapton bei Cream oder heute Slash, die Faszination des singenden, fetten Sounds der LPs ist ungebrochen. Mir persönlich sah der leicht gewölbte Korpus früher zu sehr nach einer Violine aus. Aber Geschmäcker ändern sich – und was ist eigentlich schlecht an einer Geige? (höchstens der Geiger oder die Geigerin)

Den Gibson-Sound meiner SG habe ich immer ein wenig vermisst, deshalb wurde ich neugierig, als im Frühjahr 2014 die 120th Anniversary Modelle mit dem Zusatz „Futura“ auf den Markt kamen. Allerdings fand man im Web auch schnell ein paar kritische Stimmen unzufriedener Käufer. Überstehende Bundstäbe, schlampige Lackierung, klirrende Saiten trotz Fein-Justierung – das klang wenig ermutigend. Aber im Falle eines Falles kann man ja umtauschen. Und nur wer wagt, gewinnt!
Also habe ich bestellt…

Unpacking

Die Gitarre kam per DHL in einem großen Karton von einem online-Händler. Ein solider Koffer gehört zum Lieferumfang.

Der stabile Koffer gehört zum Lieferumfang

Der stabile Koffer gehört zum Lieferumfang

Die Gibson 120th Anniversary Les Paul Futura

Der Look

Die von mir gewählte Farbe hat die offizielle Bezeichnung „Brillant Red“. Richtig kräftig rot sieht sie auch tatsächlich bei vollem Tageslicht aus. Bei künstlichem Licht ist das Rot dunkler mit einem Farbverlauf nach außen hin zu einem noch dunkleren Ton. Der als „Vintage Gloss“ bezeichnete Lack hat eine seidenmatte Oberfläche und lässt die Holzmaserung durchscheinen. Diese Optik gefällt mir sehr gut. Die bei vielen LP-Modellen vorhandene Umrahmung des Korpus und das Schlagbrett hat man bei diesem Modell weggelassen.

Ungewöhnlich sind teilweise die angebotenen Farben. „Pacific Blue“, „Inverness Green“ und vor allem „Plum Insane“ (Nach der Lila Pause und der Lila Kuh jetzt die Lila Les Paul) dürften nicht jedermanns Geschmack sein. Ansehen kann man sich das auf der Website von Gibson (Link am Ende dieses Artikels), beim Musikalienhändler seines Vertrauens oder auf der Website eines online-shops (Kein Link am Ende dieses Artikels). Die Pickups haben auch keine verchromten Metallabdeckungen wie bei manchen anderen Modellen. Die Potentiometer sind schwarz unter einer durchsichtigen Kunststoffkappe mit seitlich ausgeprägten Rillen. Das sieht gut aus und macht sie zugleich sehr griffig.

Das Material

Für das Griffbrett wurde Palisander verwendet, der Korpus besteht aus Mahagoni, Decke und Hals sind aus Ahorn. Das entspricht der klassischen Bauweise einer Les Paul. Ich war sehr erstaunt über das hohe Gewicht des Instruments. Hier ein Gewichtsvergeich meiner E-Gitarren, gewogen mit einer Personenwaage:

Fender Telecaster: 3,7 kg
Fender Stratocaster: 4,0 kg
Gibson Les Paul Futura: 4,5 kg

Obwohl vom gewichtsreduzierten Korpus die Rede ist („Modern Weight Relief) und man sich auf der Website von Gibson die dafür verantwortlichen Hohlräume ansehen kann, ist die LP ein echtes Schwergewicht.

Die Farbe bei Tageslicht

Die Farbe bei Tageslicht

Traditionelle Schaltung

Wie bei fast allen Gibson E-Gitarren üblich gibt es einen Schalter, mit dem zwischen „Rhythm“ (Hals-Tonabnehmer) und „Treble“ (Steg-Tonabnehmer) umgeschaltet werden kann. In der Mittelstellung sind beide Tonabnehmer aktiv.
Für jeden der beiden Pickups gibt es einen Lautstärke- und einen Klangregler.

Besondere Ausstattung

Seit die, bereits in den 1950er Jahren erschienene Les Paul Gitarre, in den 60ern von Rockmusikern wiederentdeckt wurde, haben Gitarristen daran gebastelt. Den sinnvollen Teil dieser Modifikationen hat man in die Futura eingebaut.

Beide Humbucker Tonabnehmer lassen sich auf Single-Coil-Betrieb umschalten. Sie klingen dann etwas weniger fett aber brillanter, mehr wie die Pickups einer Fender Gitarre. Zum Umschalten haben die beiden Volume-Regler eine Push/Pull-Funkton erhalten. So wird sie vom Hersteller genannt, eigentlich ist es aber eine Push/Push-Funktion. Einmal herunterdrücken schaltet auf Single Coil um, der Regler steht dann etwas weiter heraus, noch einmal drücken schaltet auf die Grundeinstellung „Humbucker“ zurück.

Auf gleiche Weise lässt sich mit dem Klangregler des Steg-Tonabnehmers ein 15dB Boost zuschalten. Eine 9-Volt Batterie, die in ein von der Rückseite des Instruments zugängliches Fach eingesetzt wird, sorgt für die Vorverstärkung, mit der man einen Amp besonders leicht zum Verzerren bringen kann.

MinE-Tune – alles im grünen Bereich

Bereits vor einigen Jahren brachte Gibson eine Gitarre mit automatischem Stimmsystem auf den Markt, die „Robot guitar“. Das sah noch recht klobig aus; die Weiterentwicklung MinE-Tune fällt dagegen kaum noch auf. Abgesehen von der Möglichkeit, alternative Stimmungen abzurufen, die bereits in diesem System gespeichert sind, kann man eigene abspeichern. Die Hauptfunktion ist aber das automatische Stimmen ohne Stimmgerät. Man drückt einen kleinen Knopf an der Unterseite des Systems, das sich auf der Rückseite der Kopfplatte zwischen den Mechaniken befindet. Sechs LEDs leuchten rot auf. Nachdem man einmal alle Saiten angeschlagen hat, stimmt das System automatisch. Die Mechaniken bewegen sich und wenn der optimale Wert erreicht ist, leuchten die LEDs grün. Manchmal muss man einige Saiten, meistens die hohe E-Saite, noch einmal extra anschlagen, bis auch hier alles „im grünen Bereich“ ist. Nach dem Stimmen verlöschen alle LEDs. Ich habe die Fotos aufgehellt, was leider die Qualität herabsetzt; man sieht aber so das kleine “Steuerkreuz” auf der Höhe der unteren Mechaniken, mit dem man Sonderfunktionen anwählen kann. Ein MinE-Computer sozusagen.

MinE-Tune beim Tunen

MinE-Tune beim Tunen

Wie genau arbeitet MinE-Tune? Kann man das professionell einsetzen? Ich finde, ja. Wenn man mit einem präzisen Stimmgerät nachprüft, entdeckt man immer eine Abweichung von einigen Cent (hundertstel eines Halbtons). Aber eigentlich ist das Stimmen einer Gitarre immer ein Kompromiss; der harte Anschlag mit dem Plektrum ergibt einen etwas höheren Ton, als der Ausklang der Saite. Ich finde diese Technik sensationell und hoffe nur, dass sie auf die Dauer stabil bleibt.

Für MinE-Tune wird ein Netzteil mitgeliefert, um den integrierten Akku aufzuladen, den man dazu aus dem System herausnimmt. Das geht ganz einfach indem man kurz auf die gefederte Halterung drückt. Auch das Einsetzen ist leicht. Eine Akkuladung reicht für hunderte von Stimmvorgängen, vor allem wenn man keine „großen Sprünge“ macht (alternative Tunings), sondern nur nachstimmt. Eine LED warnt, wenn die Akkuladung nachlässt, da wurde wirklich an alles gedacht.

Der Akku des MinE-Tune Systems

Der Akku des MinE-Tune Systems

Der Sound

Vor allem die Humbucker Pickups erzeugen den typischen Gibson Sound. Jeder Humbucker besteht eigentlich aus zwei Tonabnehmer-Systemen, die gegenphasig verschaltet sind und damit störende elektrische Einstreuungen eliminieren. Das kostet etwas an ganz hohen Frequenzen, lässt den Sound aber gleichzeitig „fett“ klingen.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden neue, modifizierte Tonabnehmer-Modelle entwickelt. Die Les Paul Futura besitzt einen P-90 H Sidewinder an der Halsposition und einen BB3 am Steg. In einem Testbericht wurde der Sidewinder als „nicht ideal“ bezeichnet, trotzdem bekam die Gitarre insgesamt die best mögliche Wertung. Da ich keine Vergleichsmöglichkeit habe, kann ich dazu kein Urteil abgeben. Für mich ist der Sound genauso, wie ich es erwartet hatte, also typisch Gibson Les Paul. Ich verzichte hier auf Audiobeispiele, weil der Sound meiner Meinung nach zu sehr mit der Verstärkeranlage und vor allem mit der Spielweise des Gitarristen zusammenhängt. Zahlreiche Hörbeispiele kann man auf YouTube finden.

Begleitpapiere

Man bekommt mit dem Instrument eine Pappe mit zahlreichen, echten Unterschriften der Gibson-Mitarbeiter, die angeblich jeden Bestandteil des Instruments überprüft haben. Eine Broschüre erzählt in Kurzform die 120-jährige Gibson Historie und erklärt die Features der Gibson Gitarren allgemein. Man kann sich dann heraussuchen, was auf das eigene Instrument zutrifft. Das ist für mich ein echter Kritikpunkt. Ohne die Beschreibung auf der Gibson Website sowie das Ansehen diverser YouTube Videos hätte ich gar nicht gewußt, was meine Gitarre nun kann oder auch nicht!

So wirkt die Farbe der Gitarre bei künstlichem Licht

So wirkt die Farbe der Gitarre bei künstlichem Licht

Verarbeitung

Meine anfänglichen Befürchtungen auf Grund von Berichten im Web trafen zum Glück nicht zu. Ein intensiver Lackgeruch hat mich nicht gestört und verschwand recht schnell. Wenn man ganz „pingelig“ ist, kann man feststellen, dass das Holz nicht überall ganz glatt ist und der Lack an diesen Stellen etwas rau. Aber bei einem Instrument aus Naturholz toleriere ich das, es geht auch nur um Quadratmillimeter große (kleine) Bereiche.

Weniger schön finde ich die Empfindlichkeit der Lackoberfläche. An einer Stelle habe ich bei dem Versuch, einen kleinen Rest Plastikfolie an einem Tonabnehmer unter den Saiten hervor zu wischen, mit dem Fingernagel eine bleibende Spur verursacht. Sollte Gibson jemals eine Signature Gitarre mit meinem Namen herstellen, muss das unbedingt nachgebildet werden! Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. 🙂

Der Preis von etwas über 1000 EUR erscheint mir angemessen. Ich frage mich aber, warum andere LP-Modelle teilweise das Doppelte oder Dreifache kosten. Vielleicht kann mir das ein Leser sagen?

Ich schrieb am Anfang von einem Erfahrungsbericht. Bis auf den selbst verschuldeten kleinen Kratzer: Alles gut – Daumen hoch!

Gibson im Internet

Link: Mein Artikel zur Fender Startocaster

Meine aktuellen Testberichte und mehr zum Thema Musik immer hier…

Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis meiner Artikel auf facebook hier…

4 Gedanken zu „Gibson Les Paul Futura

  1. Jörn

    Moin Jürgen,

    erstmal herzlichen Glückwunsch zur Gitarre!

    Ich zähle mich ebenfalls zum Fender-Lager, aber ich habe auch mal eine Gibson Les Paul besessen. Meinen diversen Tele- und Stratocaster-Gitarren trauere ich heute allerdings deutlich mehr nach. Bei mir zu Hause steht nun nur noch eine recht billige Ibanez “Jazzgitarre” aus der Artcore-Serie, die alle anderen E-Gitarren “überlebt” hat. Seltsam irgendwie.

    Viel Spaß mit deinem Instrument!

    Jörn

  2. Heiko

    Hallo Jürgen,

    Glückwunsch zu der schönen Les Paul.
    Meine allereste E-Gitarre war eine Les Paul, der trauere ich heute immer noch nach.
    Ich hatte die Gitarre in einem schwachen Moment (Ende meiner Band Giant’s Causeway) verkauft. Durch viele Gigs und Studio-Aufnahmen (aber mehr durch die Gigs), war das Gerät ziemlich runter gerockt und hätte einer umfangreichen Überholung bedurft (Bünde neu, Binding neu, der Trussrod hätte einer Überholung bedurft).
    Ein Sammler machte mir damals ein gutes Angebot und ich lies Sie ziehen.
    Vor zwei Jahren habe ich mir dann wieder eine alte Les Paul Standard zugelegt, die ich aber “wegen Rücken” wieder (auch an einen Sammler) verkauft habe. Die brachte 4,6 kg auf die Waage, was mir deutlich zu schwer war (mein schwerster Jazz Bass bringt gerade mal 4,2 kg auf die Waage, und das merk ich nach langen Proben und Gigs schon).
    Aber 4,5 kg für die Futura trotz Weigth Relief ist schon mal eine Ansage 🙂 Gibson sollte für Leute mit Rückenproblemen gleich das Kieser Training Abo mitliefern. 🙂
    Und ich merke wieder: trotz ich den Les Paul liebe, ich glaube Gewichtsmäßig fällt das Modell für mich einfach raus, es sei denn ich krieg mal ne 57er Goldtop unter 4 kg 🙂

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