Test: D16 Group LuSH-101

Von | 16. März 2017

Der Roland SH-101 besitzt einen eigenständigen Sound, der durchaus auch in EDM-Produktionen von heute passt. Das virtuelle Instrument LuSH-101 von D16 erweitert das Minimal-Konzept des Originals zur Synthesizer Workstation.

I took a pill…

Nein, nicht ich persönlich. Aber mal der Reihe nach. Als eifriger Leser von Musiker- und Studio-Stories entdeckte ich in einem Artikel über die Produzenten und Re-Mixer des Songs „I took a pill in Ibiza“ das Statement: „…U-He Diva und LuSH-101 sind unsere speziellen Lieblinge.“ Mein Interesse war geweckt und mir fielen noch zwei Gründe ein, das D16 Plug-in zu testen. Erstens mag ich den Sound dieses Roland Synth aus den 1980ern und zweitens gefallen mir auch andere Produkte der Software-Firma D16 Group sehr gut.

 

Die Synthesis Page des D16 LuSH-101

 

Roland SH-101 und MC-202

Die beiden monofonen Synthesizer kamen Anfang der 1980er-Jahre auf den Markt und haben eine im Wesentlichen identische Klangerzeugung. Es gibt nur einen Haupt-Oszillator pro Stimme, dem ein Sub-Oszillator zugemischt werden kann. Mit je einem Regler für Rechteck und Sägezahn lässt sich die Wellenform für den OSC einstellen. Außerdem ist beim SH-101 ein Noise-Generator vorhanden. Sehr schön klingt die Pulsweiten-Modulation der Rechteck-Welle. Der SH-101 hat 32 Tasten. Mit einem ansteckbaren Griff und einem Gurt lässt er sich zum Umhänge-Keyboard (Key-tar) machen.

 

Die Roland “Oldies” SH-101 und MC-202

Der MC-202 ist in ein graues Plastikgehäuse eingebaut, das nur wenig größer als ein DIN-A4-Blatt ist. MC bedeutet nicht etwa „Master of Ceremony“ sondern „Micro Composer“. Während der SH-101 nur einen Arpeggiator und einen einfachen Sequencer besitzt, ist das Herzstück des MC-202 der monofone 2-Spur Step-Sequencer, mit dem sich Patterns programmieren lassen, die zu Songs verkettet werden können und speicherbar sind. Bei der Wiedergabe wird eine Sequenz mit der internen Klangerzeugung und die zweite über ein externes Gerät abgespielt. Neben dem Mini-Keyboard mit Gummitasten gibt es zahlreiche Eingabetasten für die Sequencer-Funktion. Der MC-202 ist mit Roland-Geräten seiner Generation synchronisierbar.

Beide Geräte haben keine Sound-Speicherplätze. Die Sequencer-Daten des MC-202 können mit Hilfe eines Cassetten-Interfaces gesichert werden.

Ich habe mehrere Jahre lang einen MC-202 benutzt und nur wegen der fehlenden MIDI-Schnittstelle schließlich verkauft, obwohl ich den Sound sehr mochte. Auch den ersten Software-Klon des SH-101, der zur DSP-Karte PowerCore gehörte, habe ich später gern als Klangerzeuger verwendet und vermisst, als die PowerCore-Platform eingestellt wurde.

 

Überraschung…

Das Wortspiel, das in LuSH-101 steckt, verrät schon, dass es sich nicht nur um eine direkte Emulation des Roland Synths SH-101 handelt. Das englische Wort lush bedeutet laut Dictionary üppig, luxoriös, geil,… und das ist hier keine Übertreibung! Die Klangerzeugung wurde nicht nur um viele Funktionen erweitert (z.B. OSC-Sync, Super Saw, Unison-Mode und Effekte), sondern sie ist gleich 8-fach vorhanden – und zwar 32-stimmig polyfon! Die Sounds lassen sich auch anschlagdynamisch programmieren und per Controller-Zuordnung mit Channel-Aftertouch und Expression-Pedal modulieren, um nur einige Möglichkeiten zu nennen!

 

Die Sound-Bedienelemente des Roland SH-101

 

Die umfangreich erweiterten Sound-Bedienelemente des LuSH-101 Plug-ins

 

Wie klingt es? Presets

Für einen ersten Eindruck höre ich gern einige Presets durch. Davon besitzt LuSH-101 mehr als 1600! Sie sind in Gruppen geordnet und ermöglichen ein User-Rating durch Vergabe von bis zu 5 Sternen.

Einige Sound-Beispiele

Zuerst ein typischer Roland Bass-Sound, wie er auch aus dem Original stammen könnte, danach 2 Versionen, die interne Effekte des LuSH-101 verwenden.

 

Akkorde sind nur mit dem virtuellen Instrument möglich. Im zweiten Abschnitt ist bei einigen Tönen zu hören, wie sich die Anschlagstärke auf das Filter auswirkt. Alle Effekte sind Plug-in intern.

 

Als nächstes ein gehaltener Akkord. Die rhythmische Teilung wird vom Gater im Chord-Mode erzeugt.

 

Das Preset HyperSaw verwendet die Super-Saw Wellenform. Der SuperSaw-Sound wurde eigentlich erst 1996 mit dem Roland JP 8000 vorgestellt und später zu einem Merkmal des Trance Stils.

 

Die Lead-Sounds sind sehr prägnant und durchsetzungsfähig. Was für sich allein vielleicht etwas nervt, ist im Playback genau richtig.

 

DIY

Allein die Presets wären für mich schon die Anschaffung des LuSH-101 wert, aber wie kaum ein anderes virtuelles Instrument, hat mich dieses sofort zum Selbstschrauben angeregt. Ich versuche, das an einigen Beispielen zu zeigen und dabei einen Überblick über die Möglichkeiten zu geben, ohne eine zweite Bedienungsanleitung zu verfassen. Diese ist übrigens sehr übersichtlich und erklärt alle Funktionen auf insgesamt 100 Seiten.

 

Soundexperimente

Ich habe meine Experimente mit nur einem Layer begonnen. Aus dem Default-Sound („Dööööö…“) habe ich einen perkussiven Klang erstellt und dazu Einstellungen am Filter und der Amp-Hüllkurve vorgenommen. Besonderes Interesse erweckte bei mir die Funktion Hard-Sync. Beim 1-stimmigen Roland sind Sync-Sounds nicht möglich, aber der D16 LuSH-101 besitzt dazu einen zusätzlichen „versteckten“ Oszillator. Ich habe zusätzlich den Arpeggiator eingeschaltet und per MIDI-Learn-Funktion einen Regler meines Master-Keyboards mit SYNC OFFSET verknüpft, um während der Aufnahme in Logic den Effekt zu verändern.

 

Schwebende Sounds, wie man sie sonst durch das gegeneinander Verstimmen zweier Oszillatoren erzielt, sind kein Problem. Der Sound eines Layers, hier TIMBRE genannt, kann auf ein zweites Layer kopiert werden, bei dem man die Stimmung leicht verändert. Die zweite Möglichkeit ist, einem Mono-Klang mehrere Stimmen zuzuordnen und die UNISON-Schaltung zu benutzen. Hier lassen sich Tuning und Stereo-Verteilung der Stimmen justieren.

Ein simpler Bass-Sound mit dezenter UNISON Einstellung.

 

Auch für die Akkorde im nächsten Beispiel habe ich nur ein Layer verwendet. UNISON und Pulsweiten-Modulation der Rechteckwelle sorgen für Schwebungen im Sound.

 

Der Arpeggiator ist in der Lage eine Vielzahl von rhythmischen Mustern zu erzeugen. Weil jedes der 8 Layer einen eigenen besitzt, sind die Möglichkeiten beinahe unendlich.

 

Die Arpeggiator/Gater-Bedienelemente (Originalgröße)

 

Arpeggio-Richtung, Oktavbereich und Anzahl der Wiederholungen, Notenwert (1/64 bis 1) und Gate-Time der Noten werden mit Drehreglern eingestellt. Jeder der 16 Steps wird durch eine LED angezeigt, die mit einem Klick aktiviert oder deaktiviert werden kann. Die untere LED-Reihe TIE bietet die Möglichkeit, mehrere Steps zu längeren Noten zu verbinden. Im Modus GATER werden die Noten nicht nacheinander abgespielt, sondern rhythmisch „zerhackt“ wie im nächsten Beispiel:

 

Im letzten Hörbeispiel habe ich reichlich vom Arpeggiator Gebrauch gemacht. Es ist die einzige Mehrspur-Produktion unter den Beispielen und besteht aus nur 3 Spuren in Logic Pro X. Jede Spur enthält eine Instanz des LuSH-101. Die erste Instanz hat 4 Layer, bei denen ich selbst Sound- und Arpeggiator-Einstellungen erstellt habe. Alle verwenden ein unterschiedliches Arpeggio, auch die Akkord-Einwürfe. Bei diesen habe ich als Insert-Effekt den VOWEL FILTER benutzt und bin mit einem MIDI-Controller durch die Vocale A, E, I, O, U gesurft. Der Synth-Bass ist die zweite Instanz. Die Drums haben 8 Layer und stammen wie der Bass aus den Werks-Presets. Die Klangerzeugung des Roland SH-101 stammt aus der gleichen Generation wie die TB-303, TR-808 und TR-909, deshalb ist es hier möglich, entsprechende perkussive Klänge zu generieren. Die schnellen Hüllkurven des LuSH-101 sorgen für knackige Beats.

Alle Layer wurden mit dem Kompressor des internen Mischpults bearbeitet, teilweise mit EQ und fast immer mit Send/Return-Effekten. Um den Mix etwas lauter zu machen und Peak-Übersteuerungen zu vermeiden, habe ich in Logic den IK Multimedia Stealth Limiter in der Summe eingesetzt. Hall-, Delay-, Chorus-, Distortion-Effekte kommen ausschließlich von LuSH-101.

 

Die wichtigsten Fakten

GUI

Das Graphical User Interface zeigt in der Hauptansicht auf fotorealistische Weise einen Synth im Design der Roland Geräte der 80er. Weil solche Darstellungen am Monitor kleiner ausfallen, als die Abmessungen einer entsprechende Hardware sein würden, sind Bedienelemente und Beschriftungen oft anstrengend für die Augen – so geht es mir beispielsweise bei Propellerhead Reason. Beim LuSH-101 kann man zwischen zwei Darstellungsgrößen wählen. Auch bei der größeren muss ich dicht an den Bildschirm, aber es ist OK. Und es sieht toll aus, finde ich!

 

Preset-Speicher

Während man beim Vorbild von Roland ganz ohne Speicherplätze auskommen musste, kann man beim LuSH-101 nicht nur den Gesamtsound speichern, sondern jedes TIMBRE (Layer-Sound) einzeln benennen und speichern. Auch Arpeggiator-Einstellungen sind mit Namen speicherbar sowie Mixer-Einstellungen. Separat speicherbar sind die Effekt-Einstellungen für REVERB und DELAY. Damit beim Laden von Werks- oder eigenen Presets keine aktuelle Einstellung verloren geht, lassen sich alle Layer einzeln mit einem kleinen Vorhängeschloss verriegeln.

Das Pop-up-Fenster zum Sichern/Speichern/Kopieren enthält neben Ordnern und Gruppen von Sound- Arpeggiator- oder Effekt-Einstellungen weitere nützliche Elemente, z. B. ein Minikeyboard. Übersichtlich ist die Ansicht von Drum-Mappings. Neben der Tastenbelegung werden die einzelnen Instrumente farbkodiert mit beschrifteten kleinen Quadraten angezeigt, die leuchten, wenn der jeweilige Sound gespielt wird.

 

Drum Mapping mit Mini-Keyboard und Sound-Namen

 

Drei Pages

Es gibt drei Bildschirmseiten, die mit Roland-esken Tasten oben neben dem Schriftzug LuSH-101 aufgerufen werden. Beim Start des Plug-ins erscheint die Hauptansicht SYNTHESIS. Wechselt man direkt daneben mit LAYER SELECT das Layer, ändern sich nur die Einstellungen der Regler, falls sie vom vorherigen abweichen. Die Tasten MODULATION MATRIX und MASTER MIXER führen zu anders gestalteten Pages mit speziellen Inhalten.

 

SYNTHESIS

Über die Synthese-Möglichkeiten und ihre Erweiterungen habe ich bereits im Zusammenhang mit meinen Hörbeispielen berichtet. Es bleibt noch zu ergänzen, dass der LuSH-101 über zwei ADSR Hüllkurven und zwei LFOs mit jeweils vier Wellenformen, Random und Noise verfügt. Alle Zeit-relevanten Parameter lassen sich zum Host-Tempo synchronisieren. Das Filter kann von NORMAL in den SH-101 Mode umgeschaltet werden, wenn authentische Retro-Sounds oder einfach nur andere Klangfarben gewünscht werden.

Insert Effekte

Jedes TIMBRE kann mit einem von acht Insert-Effekten versehen werden, bevor sein Sound zum Mixer weiter geleitet wird, wo Kompressor, EQ und drei Send/Return-Effekte zur Verfügung stehen. Die vier Regler/Schalter im Bereich INSERT EFFECT ändern Funktion und Aussehen, je nachdem welcher Effekt gewählt wurde.

 

Für jedes Timbre steht ein eigener Insert-Effekt zur Verfügung.

 

MODULATION MATRIX

Hier lassen sich User-Einstellungen vornehmen, um den Sound mit MIDI-Controllern zu steuern. Als Source können Wheels, Anschlagstärke, Channel Aftertouch u. a. gewählt werden. Unter Destination finden sich 16 Gruppen, die jeweils bis zu 8 Ziel-Parameter enthalten. Ein kleines verschiebbares Dreieck auf einer Skala zeigt den gewählten Regelbereich; positive und negative Werte sind möglich.

 

Die Modulations Matrix

 

Bedienelemente der Synthesis- und der Mixer-Sektion können per MIDI-Learn mit Fadern und Knobs von Controller-Boxen und Masterkeyboards verknüpft werden. Dabei erscheinen am unteren Rand des Plug-in-Fensters Hilfstexte.

 

MASTER MIXER

Die Kanalzüge des Mixers sind mit allem ausgestattet, was ein professionelles Mischpult besitzt, sogar die FX-Return-Kanäle besitzen eigene Equalizer. Pro Layer gibt es einen Kanalzug mit Kompressor, EQ und 3 FX-Sends. Die 3 Effektgeräte REVERB, DELAY und CHORUS verfügen über üppige Regelmöglichkeiten, allein für den Hall gibt es 10 Drehregler für alle Parameter, die sich auch an einem guten Hardware-Gerät einstellen lassen. Die Sounds des LuSH-101 lassen sich 11 Ausgängen zuordnen, 8 x Layer Out und 3 x FX out. Separate MIDI-Kanäle sind einstellbar, so dass das Plug-in auch als Multi-Instrument verwendet werden kann. Keyboard-Splits mit unterschiedlichen Sounds je Tastatur-Zone sind ebenfalls möglich.

 

Mischpult, Audio-Routing und Insert/Send-Effekte

 

Fazit

Der LuSH-101 erzeugt den typische Analog-Sound der Roland Synthesizer der 1980er. Für mich klingt er sehr überzeugend und zugleich eigenständig durch die vielen sinnvollen Erweiterungen im Vergleich zum SH-101. Auch mit voller Polyfonie, zusätzlichen Modulationen und Effekten behält er immer einen eigenen Charakter, der ihn von anderen Synth-Plug-ins unterscheidet. Besonderes Lob verdient auch der Arpeggiator/Gater mit seinen zahllosen Möglichkeiten und der cleveren Bedienung. Trotz der vielen Bedienelemente kann man die wichtigsten Funktionen des D16 LuSH-101 auch ohne Anleitung verstehen. Das Manual erklärt ausführlich und verständlich, was alles möglich ist. Das Original Roland SH-101 kam als preiswerter Einsteiger-Synth auf den Markt, D16 Group hat die Vorlage zu einer komfortablen Synthesizer-Workstation weiter entwickelt.

Wer ältere Testberichte liest (die erste Version von LuSH-101 ist 2012 erschienen) wird dort auf hohe CPU-Belastung hingewiesen. Ich habe diese Erfahrung nicht gemacht, anscheinend gab es damals noch keine Multi-Prozessor Unterstützung; jetzt funktioniert diese aber sehr gut.

D16 Group LuSH-101 ist keine Neuerscheinung, aber zumindest für mich eine Neuentdeckung, die mich begeistert hat und deshalb Redaktionstipp!

 

Systemanforderungen

Windows PC

OS version
Win 7, Win 8, Win 10
CPU
2.8 Ghz with SSE (i7 based 3.7 GHz recommended)
RAM
4 GB (8 GB Recommended)
Software
VST compatible host application (32bit or 64bit)

Mac OS X

OS version
OS X 10.7 or newer
CPU
Intel based 2.8 Ghz with SSE (i7 based 3.4 GHz recommended)
RAM
4 GB (8 GB Recommended)
Software
AU / VST compatible host application (32bit or 64bit)

Preis: €149,- *

*Preisangabe ohne Gewähr, entspricht dem Stand vom 16. 03. 2017 und wurde online ermittelt.

Eine Demo-Version ist verfügbar.

Ausführliche Beschreibung aller Eigenschaften des LuSH-101 hier…

Webseite des Herstellers: D16 Group

 

Meine aktuellen Testberichte und mehr zum Thema Musik immer hier…

Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis meiner Artikel auf facebook hier…

 

2 Gedanken zu „Test: D16 Group LuSH-101

  1. Lena

    Ich persönlich finde das Gui schlecht gelöst. Aber so ist es eben bei D16 da wird ja mehr auf die Optik als auf den Workflow gelegt was wirklich schade ist. Könnte man besser lösen.

  2. Jürgen Drogies Beitragsautor

    Hallo Lena,
    es stimmt schon, sehr übersichtlich ist es nicht. Gleichzeitig finde ich es toll, wie das Roland Design der damaligen Zeit mit den kleinen Fadern, Tasten mit LED usw. nachempfunden wurde und einen Synthesizer darstellt, den es als Hardware nie gegeben hat. Aber die Nachteile des Pseudo-fotorealistischen GUI sind nicht zu leugnen. Ich finde das auch bei Propellerhead Reason problematisch. Den Sound des LuSH-101 finde ich aber sehr geil!
    LG Jürgen

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