Test: Eventide Anthology XI

Von | 22. Dezember 2017

Kurz vor Jahresschluss 2017 hat Eventide das Plug-in-Bundle Anthology auf Version XI upgedatet. Es umfasst 23 Produkte, die zur Referenz-Klasse bei der Audio-Bearbeitung gehören und viele besondere Features besitzen.

I want it all…

Selbstverständlich spart man beim Kauf eines solchen Bundles Geld, auch wenn später nicht alle Bestandteile zum Einsatz kommen. Unter den 23 Plug-ins der Eventide Anthology XI befinden sich teilweise verschiedene Versionen desselben Produkts. Das macht aber durchaus Sinn, denn manchmal reicht die „kleinere“ Variante, die weniger CPU-Last verursacht. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Plug-ins von Eventide den Computer erstaunlich wenig belasten.

 

Eventide

Eventide gehört zu den Firmen, die die Digitaltechnik im Studio eingeführt haben. Seit mehr als 45 Jahren stellt die Firma Sound-Prozessoren her, die überall auf der Welt in den Studios zu finden sind. Seit Eventide auch Plug-ins für die DAW produziert, können die Algorithmen bei der Musikproduktion „in the box“ ebenfalls eingesetzt werden. Studiogeräte, die vor Jahrzehnten konstruiert wurden, wie Harmonizer und Omnipressor, sind keineswegs veraltet, sondern nach wie vor begehrt, auch wenn sie nicht mehr produziert werden. Die Anthology XI Plug-ins emulieren sowohl diese Legenden, als auch aktuelle Eventide Hardware. Bei den Vintage-Geräten wurde auch der Einfluss analoger Schaltkreise auf den Sound berücksichtigt. Aktuelle Vorbilder sind Eventides Rack-Prozessoren und Boden-Effektgeräte. Hinzu kommen spezielle Entwicklungen, wie das einzigartige Plug-in Fission.

Eventide Anthology X!

Eventide Anthology XI

 

Zu diesem Test

Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung Test wirklich berechtigt ist, denn normalerweise beschreibe ich fast jede Funktion eines Testobjekts und erstelle Hörbeispiele. Wie lange würde das bei 23 Test-Objekten dauern? OK – wir sehen uns in einem Jahr wieder! Nein, nicht so gut. Bis dahin gibt es vielleicht schon das nächste Update! „In der Kürze liegt die Würze.“ Ich glaube der Spruch passt hier. Ich habe alles ausprobiert, aber eben nur kurz.

 

Abbildungen

Zu jedem Plug-in gibt es einen Screenshot der grafischen Oberfläche und eine kurze Erklärung. Alle Bilder haben — zumindest nach dem Anklicken — die Originalgrösse und sind nur soweit komprimiert, dass alle Details zu erkennen sind. Bei der Verwendung von Mobilgeräten sollte man in WLAN-Reichweite bleiben, falls es ein Problem ist, das Datenvolumen zu belasten.

 

Installation der Eventide Anthology XI

Der Kauf berechtigt zu zwei Installationen. Um die Software-Lizenz zu aktivieren, wird der iLok License Manager benötigt. Einen iLok USB-Dongle muss man nicht besitzen, es ist auch möglich, eine Lizenz auf einen Computer zu übertragen und bei Bedarf wieder zu deaktivieren. Die Lizenz ist dann wieder im License Manager gespeichert und kann neu übertragen werden, das geht sogar per drag and drop. Bevor man beispielsweise seine Festplatte löscht, um ein neues Betriebssystem „clean“ zu installieren, sollte man unbedingt daran denken!

 

FX

Fission

Fission ist ein einzigartiges FX-Plug-in, mit dem man Transienten und tonale Bestandteile eines Klangs voneinander trennen und getrennt mit Effekten bearbeiten kann. Ein Beispiel: Bei einem Tom lässt man die Attack-Phase unverändert, stimmt aber den tonalen Bestandteil auf eine andere Tonhöhe. Auch extreme Verfremdungen von Audiomaterial jeder Art sind möglich. Zahlreiche Presets laden zum Ausprobieren ein.

Eventide Fission

 

Ultra Tap

Ultra Tap entstammt dem Hardware-Prozessor Eventide H9 und ist ein Echo-Plug-in mit besonderen Eigenschaften. Die Echos lassen sich modulieren und so weit zu Clustern verdichten, dass Halleffekte entstehen. Die stufenlose Diffusion der bis zu 64 Tap-Delays ermöglicht sphärische Klangwolken. Der virtuelle Ribbon-Controller erlaubt das Morphen zwischen zwei Parameter-Einstellungen; mit dem Hotswitch lassen sie sich direkt umschalten. Ribbon-Controller und Hotswitch besitzen auch die anderen Produkte aus der H9-Linie: Mangled Verb und Blackhole.

Eventide UltraTap

 

H3000 Factory

Der H3000 Harmonizer aus dem Jahr 1986 gehört zu den legendären Studiogeräten. Das Plug-in bietet nicht alle Effekte des Originals, aber den Originalsound des Geräts mit Pitch-Shifting, Delay, Filter, Modulation durch Envelope Follower und LFO. 450 Presets stehen zur Auswahl. Für eigene Kreationen können die Module mit virtuellen Kabeln verknüpft werden. Neben den klassischen Harmonizer-Effekten sind spektakuläre Sounds zu erzielen. Trotz der komplexen Struktur ist die CPU-Last äußerst gering.

Eventide H3000 Factory

 

H3000 Band Delays

Acht, in weiten Bereichen konfigurierbare Delays stehen zur Verfügung. Jedes davon ist mit einem Multimode-Filter ausgestattet, kann zum Host-Tempo synchronisiert werden und hat eine eigene Position im Stereo-Bild.

Eventide H3000 Band Delays

Eventide H3000 Band Delays

 

Octavox

Ein Harmonizer, der bis zu 8 Stimmen innerhalb wählbarer musikalischer Skalen erzeugen kann. Auch Micro-Verstimmungen und Zeitverzögerungen sind einstellbar. Pegel und Panorama der Stimmen lassen sich regeln. Die Algorithmen sind neueren Datums und haben nicht den Vintage-Touch älterer Geräte.

Eventide Octavox

Eventide Octavox

 

Quadravox

Für viele Anwendungen reichen vier Stimmen. Quadravox bietet sonst dieselben Möglichkeiten wie Octavox bei noch geringerer CPU-Belastung,

Eventide Quadravox

Eventide Quadravox

 

Reverb

Blackhole

Mit Blackhole lassen sich unrealistische und überdimensionale Räume simulieren. Es handelt sich um ein True-Stereo Reverb mit Filtern und Modulations-Möglichkeiten. Mit „Kill“ lässt sich das Eingangssignal stummschalten, sodass man nur noch die Hallfahne hört, „Freeze“ schaltet den Hall zusätzlich auf unendlich. Auch Reverse-Effekte sind möglich. Wie beim UltraTap gibt es einen Ribbon Controller und den Hotswitch.

Seit dem 18. April 2018 unterstützt Blackhole das NKS-System von Native Instruments und lässt sich so von MASCHINE oder KOMPLETE-KONTROL-Keyboards bequem mit Hardware-Reglern steuern!

Eventide Blackhole

Eventide Blackhole

 

Tverb

Tverb entstand in Zusammenarbeit mit dem Bowie-Produzenten Tony Visconti. Bei der Aufnahme des späteren Hits „Heroes“ im Berliner Hansa Studio verwendete Visconti zusätzlich zum Gesangsmikrofon ein zweites Mikro am anderen Ende des Aufnahmeraums, um den natürlichen Nachhall aufzunehmen und mischte beide Signale zusammen. Damals gab es nur noch eine freie Spur und so war nur eine Mono-Aufnahme möglich. Eventide Tverb erweitert das Verfahren um ein zweites, virtuelles Mikrofon und liefert Stereosignale. Die Entfernung der Hall-Mikrofone von der Aufnahmequelle lässt sich einstellen, ebenso Größe und Materialbeschaffenheit des Aufnahmeraums. Tverb liefert sehr natürlich klingende Halleffekte und ist vielseitig einsetzbar.

Eventide Verb

Eventide Verb

 

MangledVerb

Wie UltraTab gehört auch MangledVerb zur Serie der H9 Plug-ins und besitzt Ribbon Controller und Hotswitch. Das Besondere ist die Verknüpfung von Reverb und Distortion, wodurch ausgesprochen „böse“ Sounds erzeugt werden können. Deshalb lautet Eventides Slogan zu diesem Plug-in „Good reverb gone bad“. Außerirdische Soundscapes sind eine Stärke von MangledVerb. Auch als Gitarreneffekt ist das Plug-in sehr gut geeignet.

Eventide MangledVerb

Eventide MangledVerb

 

2016 Stereo Room

Funktionen und Sound von 2016 Stereo Room entstammen dem 1985 erschienenen Prozessor Eventide SP2016. Die Raumsimulation ermöglicht es sogar, das bearbeitete Signal im 3-dimensionalen Raum zu platzieren. Obwohl der Nachhall transparent und schwebend klingt, hat er zugleich einen leicht rauen Vintage-Charakter.

Eventide 2016 Stereo-Room

Eventide 2016 Stereo-Room

 

UltraReverb

UltraReverb ist ein algorithmischer Hall der Spitzenklasse, entsprechend dem Eventide H8000. Vorzüge neben dem organischen, transparenten Klang sind die vielen Einstellmöglichkeiten, einschließlich einer Morphing-Funktion. Parametrische Filter, Stereo-Delay und Kompressor sind integriert. Mehr als 300 Presets stehen zur Auswahl.

Eventide UltraReverb

Eventide UltraReverb

 

Clockworks Legacy

Mit diesem Begriff werden die Emulationen der frühen Eventide-Geräte bezeichnet.

H910

Der Eventide Harmonizer H910 war bei seinem Erscheinen 1975 eine Pionierleistung, denn zum ersten Mal war es möglich, Tonhöhen-Veränderungen ohne Änderung der Bandgeschwindigkeit vorzunehmen. Bevor David Bowie seine Aufnahmen in Berlin begann, erzählte ihm sein Toningenieur Tony Visconti am Telefon von dem neuen Gerät. Bowie wollte wissen, wozu es dient und Visconti antwortete: „It fucks with time“. Die ungewöhnlichen Snare-Sounds auf „Low“ und „Heroes“ wurden mit dem Eventide-Gerät erzeugt. Man kann das in Tony Viscontis Biografie nachlesen. Anlässlich der Veröffentlichung des Buchs hatte ich die Gelegenheit, Tony Visconti zu interviewen. Der Artikel dazu ist hier zu finden: Tony Visconti, Interview in English.

Bei größere Abweichungen von der Originaltonhöhe (+/- 1 Oktave waren möglich) produzierte der H910 deutliche Artefakte. Das Plug-in erzeugt diese ebenfalls und setzt den Klang des H910 authentisch um.

Eventide Harmonizer H910

Eventide Harmonizer H910

 

H910 Dual

Die Version H910 Dual entspricht exakt zwei H910 Geräten. Eine beliebte Anwendung besteht darin, beide mit geringfügig unterschiedlichen Einstellungen zu verwenden um Schwebungen im Sound zu erzielen.

Eventide Harmonizer H910 Dual

Eventide Harmonizer H910 Dual

 

H949

Das weiter entwickelte Modell H949 verfügt über Micro Pitch, Random- und Reverse-Delays. Beim Original lässt sich die Tonhöhe mit einem Keyboard steuern, beim Plug-in geht das über MIDI-Notenbefehle.

Eventide Harmonizer H949

Eventide Harmonizer H949

 

H949 Dual

Auch vom Eventide H949 existiert eine Dual-Version.

Eventide Harmonizer H949 Dual

Eventide Harmonizer H949 Dual

 

Omnipressor

Der Omnipressor ist ein Dynamikwerkzeug mit besonders schnellen Attack- und Releasezeiten. Er kann als Kompressor, Expander und Limiter eingesetzt werden. Sogar Pseudo-Rückwärtseffekte sind möglich. Der Bassbereich kann von der Bearbeitung ausgenommen werden, auch eine Sidechain-Funktion ist vorhanden.

Eventide Omnipressor

Eventide Omnipressor

 

Instant Phaser

Mit dem Instant Phaser sind schöne schwebende Sounds möglich. Ein Envelope-Follower bewirkt, dass der Effekt erst ab einer bestimmten, einstellbaren Lautstärke einsetzt. Alternativ ist die Steuerung über das Modulationsrad eines Keyboards möglich.

Eventide Instant Phaser

Eventide Instant Phaser

 

Instant Flanger

Der Instant Flanger imitiert den Effekt des Tonband-Flangings, dass durch manuelles Abbremsen der Spulen von zwei gleichzeitig laufenden Tonbandmaschinen erzeugt wurde. Die Steuerungsmöglichkeiten des Plug-ins entsprechen dem Instant Phaser. Die Sounds haben einen eigenständigen Charakter.

Eventide Instant Flanger

Eventide Instant Flanger

 

Utilities

UltraChannel

Dieser Channel-Strip enthält zwei Kompressoren, einen parametrischer 5-Band-EQ, Gate, Stereo-Delay und Micro-Pitch Shift, alles mit der Qualität der separaten Eventide-Prozessoren. Die Reihenfolge der Module ist variabel. Außerdem gibt es ein besonders reichhaltiges Angebot an Presets.

Eventide UltraChannel

Eventide UltraChannel

 

EChannel

Der EChannel ist die „light-Version“ des UltraChannels und beansprucht weniger CPU-Power bei gleicher Soundqualität. Stereo-Delay und Micro-Pitch Shifter fehlen.

Eventide Channel

Eventide Channel

 

Precision Time Align

Timing-Unterschiede zwischen verschiedenen Spuren lassen sich präzise angleichen, auch winzige Laufzeitunterschiede, wenn ein Signal mit mehreren Mikrofonen aufgenommenen wurde. Die Abstände können wahlweise in Feet oder metrisch eingegeben werden.

Eventide Precision Time Align

Eventide Precision Time Align

 

EQ45

Der EQ45 ist die Software-Version des parametrischen EQs Urei 545. Er kann breitbandig oder auch steilflanking eingestellt werden.

Eventide EQ45

Eventide EQ45

 

EQ65

Wie der EQ45 ist auch der EQ65 ein echtes Vintage-Gerät. Sein Vorbild ist die Filterbank Urei 565. Er ist mit Low- und Highcut sowie Notch- und Peak-Filtern bestückt. Beide EQs klingen sehr musikalisch und haben weite Anwendungsbereiche.

Eventide EQ65

Eventide EQ65

 

Fazit

Die Palette der Eventide Plug-ins umfasst sowohl virtuelle Umsetzungen der legendären Studio-Prozessoren vom Beginn ihrer Entwicklung an, als auch Software-Versionen aktueller Eventide Hardware. Hinzu kommen spezielle Entwicklungen für die Arbeit mit dem Computer wie Tverb oder Fission, ein Plug-in das ganz neue Wege in der Soundbearbeitung beschreitet. Die von vielen Rezensenten gelobte Spitzenqualität kann ich ebenfalls bestätigen. Aber Soundqualität ist nicht alles, nur ein schlüssiges Bedienungskonzept führt dazu, dass der Benutzer die Software erfolgreich einsetzen kann. Auch in diesem Punkt sind die Produkte gelungen. Die zahlreichen, übersichtlich gegliederten Presets sind ebenfalls eine Bereicherung. Zu den Factory-Presets kommen Presets, die von bekannten Toningenieuren erstellt worden sind. Eventide Anthology XI ist ein Plug-in Bundle der Spitzenklasse!

 

Plug-in Formate: AAX, AU, VST

Systemvoraussetzungen: PC ab Windows 7, Mac ab macOS X 10.7

Preis: $1799,- *

Hersteller: Eventide

*Preisangabe ohne Gewähr, entspricht dem Stand vom 22. 12. 2017 und wurde online ermittelt.

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Ein Gedanke zu „Test: Eventide Anthology XI

  1. Jürgen Drogies Beitragsautor

    Eventide unterstützt jetzt NKS! Seit dem 18. April 2018 hat Eventide die Unterstützung des Native Instruments NKS-Systems angekündigt. Plug-ins lassen sich damit bequem von NI MASCHINE und NI KOMPLETE-Keyboards steuern. Das erste Eventide-Produkt dazu ist BLACK HOLE. Funktioniert super, ich habe es ausprobiert!

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