Test: IK Multimedia Lurssen Mastering Console

Von | 20. März 2016

Einen neuen Ansatz im Bereich Audio Mastering bietet die Lurssen Mastering Console. Auch ohne Spezialwissen sollen sich mit dieser Software professionell klingende Ergebnisse erzielen lassen.

01-1-lurssen_main_image_20160225

 

Überblick

Das neue Mastering Tool von IK Multimedia für Mac/PC oder iPad ist in Zusammenarbeit mit den Mastering Ingenieuren Gavin Lurssen und Reuben Cohen entstanden, deren Studio in Los Angeles schon mehrfach mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Nach dem Motto „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ werden hier Geräte in Reihe geschaltet, um den optimalen Sound zu erreichen. Diese Kette von Mastering Prozessoren hat IK Multimedia in Software umgesetzt und mit Presets für Hip-Hop, Rock, Pop und weitere Musik-Genres ausgestattet. Dabei wurden die einzelnen Prozessoren nicht nur separat „gemodelt“, sondern auch ihre Interaktion. Das Programm lässt sich selbständig oder als Plug-in benutzen.

 

Ein Blick ins Lurrsen Studio

Ein Blick ins Lurrsen Studio

 

Die Optik

Die grafische Benutzeroberfläche kann in 2 Größen angezeigt werden, wobei die kleinere vor allem für Besitzer eines MacBook Air oder MacBook Pro 13“ oder eines entsprechenden Windows Notebooks vorteilhaft sein kann. Nach dem Start schaut man direkt in das Lurssen Studio hinein. Zwischen den Monitorboxen sind die Grammy-Trophäen platziert. Bekomme ich demnächst auch eine? Wenn ja, wird man es hier bei music-knowhow erfahren – versprochen!

Rechts neben dem Schriftzug LURSSEN MASTERING CONSOLE lässt sich die Ansicht umschalten und an der Stelle des Studioraums erscheint eine Wellenformdarstellung des geladenen Songs oder die Kette der vier oder fünf aktiven Mastering-Prozessoren.

Den größten Raum nimmt ein virtuelles Bedien-Panel ein, das von Drehreglern und 2 VU-Metern beherrscht wird. Und wer ganz genau hinsieht, entdeckt unten links einen Saurierkopf – das T-RackS-Logo, Markenzeichen von IK Multimedias traditionsreicher Mastering Software.

Die Bedienung

Einen SONG lädt man bei standalone Anwendung oben in der Menüleiste. Auch mehrere Titel lassen sich hinzufügen und verwalten. Alternativ kann man Dateien auch per Drag and Drop in das Wellenform-Dispay ziehen.

25 Mastering Voreinstellungen, hier als „Styles“ bezeichnet, dienen als Ausgangspunkte für individuelles Mastering. Im Idealfall passt ein Style sofort zum Song. Meistens wird man aber eine individuelle Anpassung vornehmen wollen. Dafür sind hauptsächlich drei Regler-Bereiche vorgesehen:

  • Input Drive
  • 5-Band-EQ
  • Push-Knob

 

Die wichtigsten Bedienelemente

Die wichtigsten Bedienelemente

 

Input Drive bestimmt den Pegel, mit dem die nachgeschalteten Prozessoren angesteuert werden und verstärkt oder verringert damit deren Wirkungsgrad. Kompression und empfundene Lautheit ändern sich entsprechend. Bei entriegelter Link-Funktion lassen sich der linke und der rechte Stereokanal getrennt einstellen.

5-Band-EQ

Mit 5 Reglern können fest eingestellte Frequenzbereiche des Tube Equalizers angehoben oder abgesenkt werden. Wechselt man das Preset im STYLE-Menü glühen die Regler, deren Einstellung dabei verändert wurde, kurz auf. Der Regelbereich für jedes Band beträgt +/- 12dBs. Etwas verwirrend finde ich, dass oberhalb der Regler Werte von +/- 34 angezeigt werden; man könnte das für dB-Angaben halten, auch wenn die Benennung nicht dabei steht.

Mit Push lässt sich die Wirkung aller EQ-Bänder gleichzeitig verstärken, um Teile eines Songs hervorzuheben, z. B. um den Refrain per Automation zu „pushen“. Die dabei auftretende Pegelerhöhung wird von den nachfolgenden Dynamikprozessoren aufgefangen. Am Rand des PUSH-Reglers sieht man ein kleines Stück Klebeband, das sich mit der Maus im Kreis verschieben lässt. So lässt sich praktisch eine „Markierung anbringen“, die man während der Real-Time Bearbeitung zum richtigen Zeitpunkt ansteuern kann. Ich finde das sehr praktisch und einfacher, als sich verändernde Prozentangaben im Auge zu behalten; man muss sich so auch keine Zahlen merken.

Metering

Zur Pegelanzeige dienen zwei große VU-Meter. Drei Kippschalter befinden sich in der Nachbarschaft. Der linke schaltet die Meter-Anzeige zwischen Input und Bearbeitung um. Mit dem Master/Bypass Schalter in der Mitte lassen sich Original und bearbeitetes Signal akustisch vergleichen. Der Stereo/Mono Schalter rechts erlaubt es, die Mono-Kompatibilität zu überprüfen. Real-Time Bewegungen der Regler INPUT DRIVE und PUSH können mit der Automations-Funktion aufgezeichnet werden, wenn man die standalone Version verwendet. Beim Plug-in ist das mit der DAW-Automation möglich.

Im standalone Modus werden am unteren Rand der Grafik eine Song-Positionsanzeige, Play-Buttons, ein Loop-Schalter und die Automations-Bedienung angezeigt.

Styles und Presets

STYLES heißen die eigentlichen Mastering-Voreinstellungen. Zusätzlich gibt es eine Projekt-Verwaltung, die es erlaubt, Song Zusammenstellungen mit Automationsdaten und eigene Soundeinstellungen über das Ausklappmenü PRESET abzuspeichern.

 

Das STYLE-Menü

Das STYLE-Menü

 

Die 25 STYLES sind unterschiedlichen Genres zugeordnet. Rock und Pop werden gemeinsam behandelt, außerdem gibt es Hip Hop, EDM und Americana. Ich hatte Begriffe wie Folk, Country, Ballade erwartet, aber der Oberbegriff Americana ist in diesem Fall wohl auch dafür zuständig. Ich habe „Americana“ bei Wikipedia nachgeschlagen, dort steht: „Americana ist auch eine Bezeichnung für einen von der Folk-, Blues-, Rhythm and Blues– und Countrymusik abgeleiteten Musikstil, der teils auch thematisch die US-amerikanischen Überlieferungen und Traditionen aufgreift. Inhaltlich verwandte Begriffe sind Roots Rock und Alternative Country.“ Alles klar?

Die Variationen der STYLES werden durch die Zusatzbezeichnunge „More Glue“, „Less Glue“, „Brighter“, „Warmer“ in Klammern erklärt. Der Style „Americana“ ist außerdem in die Bereiche „Loose“ und „Tight“ gegliedert.

Nach dem Start der Lurssen Mastering Console ist „Pop Rock“ voreingestellt. Die Mastering Console ist aktiv, beim Umschalten auf BYPASS hört man sehr deutlich den Unterschied in der bei gleichem Pegel empfundenen Lautheit. Wird ein anderen STYLE gewählt, ändert sich der Lautheitseindruck nur geringfügig, allerdings bekommt man mehr oder weniger „Punch“ im Bereich von Bassdrum und Bass und die Intensität der hohen Frequenzen variiert. Die Unterschiede zwischen den STYLES sind nicht sehr groß. Das ist verständlich, denn Mastering soll einem Mix den letzten Schliff verleihen und ihn nicht verfremden. Die relativ hohe Anzahl der Voreinstellungen ist gerechtfertigt, weil der User nur wenig direkten Zugriff auf die Justierung der einzelnen Module innerhalb der Mastering-Kette hat.

Heftige Veränderungen, zum Beispiel super-laute Master, lassen sich erzielen, wenn man INPUT DRIVE, 5-BAND-EQ und PUSH nach eigenem Wunsch bedient. Eine so veränderte Einstellung lässt sich als PRESET speichern.

Das Wellenform-Display

Die Wellenformdarstellung erlaubt die Ansicht der Audiodatei zusammen mit Automationsdaten. Diese können hier auch editiert werden und es lassen sich Loops definieren, die es ermöglichen, einen bestimmten Abschnitt wiederholt ohne Unterbrechung anzuhören, bis die beste Einstellung gefunden ist. Anfang und Ende eines Loops werden durch kleine, verschiebbare Dreiecke festgelegt.

 

Standalone Mastering mit Waveform Display

Standalone Mastering mit Waveform Display

 

Automation

Damit auch bei der standalone Anwendung dynamisches Mastering möglich ist, gibt es die Automationsfunktion. Werden in Stellung WRITE Input Drive oder Push bedient, erscheint im Wellenformdisplay eine Automationskurve mit Knotenpunkten, die am Anfang und Ende einer Reglerbewegung automatisch eingefügt werden. Die Automationskurve lässt sich später mit Stift, Auswahlwerkzeug und Reset Werkzeug bearbeiten oder mit Klick auf den Papierkorb löschen. READ ist der Lesemodus, in der Stellung TOUCH lassen sich die Automationsdaten nachträglich beim Abspielen verändern. Bei Mouse-over erscheint am unteren Rand des Displays ein schmaler Balken. Hier lässt sich die Wellenformdarstellung zoomen und der angezeigte Ausschnitt verschieben.

 

Die Automations-Optionen im standalone Betrieb.

Die Automations-Optionen im standalone Betrieb.

 

Chain View

Die Prozessoren der vorkonfigurierten Mastering-Kette werden in der Chain View Ansicht dargestellt und einige, wenige Parameter können hier individuell eingestellt werden, wie zum Beispiel Kompressionsverhältnis und Ansprechschwelle. Die Einstellungen lassen sich als User-Presets speichern, genau wie eigene EQ Settings.

 

Chain View

Chain View

 

Meistens snd fünf Module in Reihe geschaltet, deren reale Vorbilder nicht genannt werden:

  • TUBE EQUALIZER,
  • SOLID STATE EQUALIZER,
  • TUBE LIMITER,
  • SOLID STATE DE-ESSER
  • SOLID STATE COMPRESSOR.

„Solid State“ muss nichts mit der Marke SSL zu tun haben, sondern wird im Englischen auch allgemein für Transistorschaltungen verwendet. Der TUBE LIMITER erscheint optisch in zwei Versionen, TUBE LIMITER 1 erinnert an ein Fairlight Modell. Bei EDM und HIP HOP wurde auf einen Tube Limiter verzichtet, hier sind nur vier Module sichtbar.

Ein zusätzlicher Brickwall Limiter arbeitet jeweils im Hintergrund und sorgt dafür, dass der Ausgangspegel -0,2 dBFS nicht überschreitet.

Man kann sich fragen, ob ein De-Esser in der Mastering Kette unbedingt nötig ist, weil man s-Laute eigentlich schon im Mix „zähmen“ sollte. Allerdings treten sie bei zusätzlicher Kompression, wie sie hier beim Mastering angewandt wird, oft wieder stärker hervor und müssen noch einmal bearbeitet werden. Der De-Esser hat einen regelbaren Threshold.

Ein Modul zur Stereo-Verbreiterung könnte man sich zusätzlich wünschen. Vielfach gehört eine solche Funktion aber schon zur Grundausstattung der DAW.

Processing und Export

Interne 88.2/96kHZ DSP Verarbeitung sorgt für verlustfreien Sound bei der Erstellung eines Masters und für hochwertige Tonausgabe. Die Sampling Frequenz des Originals wird durch Oversampling verdoppelt; aus 44,1kHz werden so 88,2kHz oder aus 48kHz 96kHz. Dadurch wird der Sound nicht verbessert, aber es wird verhindert, dass bei der Bearbeitung Verluste entstehen. Um diese Funktion zu aktivieren, stellt man im Setup-Menü (kleines Zahnrad) HD ein.

Wird das Programm im standalone Modus verwendet, stehen als Export-Formate WAV und AIFF zur Wahl. Die Sampling-Rate lässt sich auf 44100, 48000, 88200 und 9600Hz einstellen bei einer Bit-Tiefe von 16, 24 oder 32-Bit.

Im Plug-in Betrieb lassen sich alle Formate exportieren, die durch das Host-Programm erzeugt werden können. Im Fall von Logic Pro X sind das AIFF, WAVE, CAF, MP3, M4A, AAC

Mehrere Audiodateien können gleichzeitig geladen werden und werden auf Wunsch gemeinsam gemastert und exportiert.

Mobile Geräte – mobiles Recording

Die iPad Version, die ich hier nicht getestet habe, ist kompatibel mit der Mac/PC Software. Projekte können auf dem jeweils anderen System angehört und weiter bearbeitet werden. Damit wird das Kontrollieren des Sounds auf unterschiedlichen Abhöranlagen erleichtert. Mit dem iPad ist es beispielsweise ohne weiteres möglich, einen Sound im Auto zu kontrollieren und an Ort und Stelle an die Erfordernisse anzupassen.

Hörbeispiele

Beispiel 1:

Zweimal der gleiche Songabschnitt. Zuerst der ursprüngliche Mix, dann die gemasterte Version, STYLE: Pop Rock. INPUT DRIVE und PUSH wurden im zweiten Abschnitt „gefahren“ und mit der Automationsfunktion in der standalone Version aufgezeichnet. Die Abbildung zeigt die Automationskurve.

 

Automationskurve Hörbeispiel 1

Automationskurve Hörbeispiel 1

 

 

Beispiel 2:

Hier habe ich die IK Multimedia Lurssen Mastering Console als Plug-in in Logic Pro X verwendet. Der gleiche Songabschnitt ist sechsmal zu hören:

  1. Mix pur
  2. STYLE Americana Loose
  3. STYLE EDM (Brighter)
  4. STYLE Hip Hop (Warmer)
  5. STYLE Pop Rock (More Glue)
  6. STYLE Pop Rock mit mehr INPUT DRIVE und PUSH

 

 

Fazit

Mastering ist der letzte Bearbeitungsprozess, bevor eine Audioaufnahme der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sei es auf einem Tonträger oder als Download. Viele Musiker sind heute in mehreren Jobs gleichzeitig tätig. Sie komponieren, spielen Instrumente, nehmen ihre Musik selbst auf, mischen und mastern. Wenn es das Budget erlaubt, wird der letzte Schritt nach wie vor gern Fachleuten überlassen. Macht man es selbst, steht man einer Flut von Parametern gegenüber, sobald Bearbeitungsgeräte sorgfältig eingestellt und in Reihe geschaltet werden müssen. Die IK Multimedia Lurssen Mastering Console nimmt einem viele Entscheidungen ab, schränkt aber auch die Zugriffsmöglichkeiten ein. Mit einem steilflankigen Filter ein Störgeräusch zu entfernen – so etwas ist nicht vorgesehen. Aber ein ordentlicher Mix lässt sich mit keiner anderen mir bekannten Methode so schnell laut machen, mit Druck in den Tiefen versehen und mit brillianten Höhen anreichern. Auch laute Master pumpen oder verzerren nicht. Die übersichtliche Bedienung und die tadellosen Klangeigenschaften haben mich von der Lurssen Mastering Console überzeugt!

Am 1. September 2016 erschien ein für registrierte Benutzer kostenloses Update mit neuen Funktionen. Mehr dazu hier…

 

Computer Version:

Lurssen Mastering Console ist ein 64-bit Plug-in and erfordert 64-bit CPU und Betriebssystem.

Mac® (64-bit)

•Minimal: Intel® Core 2 Duo, 4 GB RAM (8 GB empfohlen), Mac OS X 10.7 oder neuer.

•Unterstützte Plug-in Formate (64-bit): Audio Units, VST 2, VST 3, AAX.

 

Windows® (64-bit)

Minimal: Intel® Core 2 Duo oder AMD Athlon 64 X2, 4 GB RAM (8 GB empfohlen), Windows® 7, Windows® 8 or Windows® 10. Erfordert eine ASIO kompatible Soundkarte.

•Unterstützte Plug-in Formate (64-bit): VST 2, VST 3, AAX.

iPad Version:

Kompatibel mit iPad Pro, iPad mini 4, iPad Air 2, iPad mini 3, iPad Air, iPad mini 2, iPad vierte Generation, iPad mini, iPad dritte Generation, iPad 2. iOS 8.0 oder neuer erforderlich.

 

Preis Mac/PC: Einführungspreis € 237,99 incl. MwSt. (gültig am 20.03.2016)

Preis iOS: 2 Tage zur Probe unbegrenzt funktionsfähig € 4,99

Vollversion € 99,99, Vertrieb: Apple App Store

Hersteller: IK Multimedia

music-knowhow-award

Meine aktuellen Testberichte und mehr zum Thema Musik immer hier…

 

Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis meiner Artikel auf facebook hier…

 

5 Gedanken zu „Test: IK Multimedia Lurssen Mastering Console

  1. Pingback: Update: IK Multimedia Lurssen Mastering Console › music-knowhow

  2. Pingback: Test: IK Multimedia iRig PADS und SampleTank 2 für iOS › music-knowhow

  3. Reinhard

    Hallo Jürgen,
    sehr guter Test ! Nachdem es die Lurssen Mastering Console gerade um 99 $ bei Audiodeluxe gibt, werde ich glaube ich zuschlagen. Dein Test war sehr hilfreich ! Danke !

  4. Markus

    Hallo Jürgen, im Rahmen meiner “iPad als autarkes Kreativwerkzeug” Reihe bin ich im App Store auch auf diese App gestoßen und konnte mich dann an Deinen Test erinnern. Wie Du auch geschrieben hast: Unglaublich, was mobil mittlerweile möglich ist! Viele Grüße, Markus

  5. John McShultz

    die höheren Frequenzen klingen aber garnicht, gut scheppern total

Kommentare sind geschlossen.