Test: Soniccouture THE HAMMERSMITH

Von | 28. April 2015

Ein Klavier ist kein Leichtgewicht, auch nicht in der digitalen Welt. Das Kontakt-Instrument THE HAMMERSMITH ist in der Pro-Version 50 GB „schwer“. Verleiht Soniccouture dem Flügel Flügel? – Wo steht das Klavier?

01a-THE-HAMMERSMITH

Ein Konzertflügel muss angemessen gewürdigt werden, deshalb gleich zu Beginn ein Höreindruck durch einen Ausschnitt aus einer nicht ganz unbekannten Komposition von Ludwig van:

 

Memories are made of Samples

Nachdem ich Anfang der 1990er Jahre einen Emu Sampler „Emax II“ angeschafft hatte, gehörte ein gesampelter Steinway-Flügel zu meinen Lieblingsinstrumenten. Das war kein Factory-Sound, sondern es gab damals eine CD mit Einzeltönen, die man selbst sampeln (und loopen) musste. Mein Sohn hatte damals Klavierunterricht und fand den Sound furchtbar. Seitdem sind viele Jahre vergangen, der Emu ist Geschichte, und ich habe immer wieder neue Pianos auf der Festplatte installiert. „The Grand“ war ein Meilenstein, dann kamen weitere Libraries für EXS24, SampleTank, Kontakt und mehr. Was in den letzten Jahren auf den Markt kam, ließ die Sampling-Pianos der Anfangszeit weit hinter sich. Ganz frisch ist die KONTAKT Library THE HAMMERSMITH von Soniccouture aus London.

THE HAMMERSMITH in  NI Kontakt

THE HAMMERSMITH in NI Kontakt

Soniccouture

Die Sampling-Spezialisten Dan Powell und James Thompson machten sich bisher vor allem durch Libraries ausgefallener Instrumente und Klangquellen, z. B. GEOSONICS, Klänge der Erde, einen Namen. Aber ab und zu darf es auch mal ein ganz „normales“ Instrument sein, wie das Vibraphon, über das ich bereits vor einiger Zeit einen Testbericht verfasst habe. Jetzt war ein Steinway Model D an der Reihe.

The Hammersmith

Für die Aufnahmen wurde Mark Knopflers Studio „British Grove“ gemietet, das sich im Londoner Stadtteil Hammersmith befindet, daher der Name „The Hammersmith“.

Das Piano, das für die Aufnahmen ausgesucht wurde, ist mit einem MIDI-System ausgerüstet, eine Seltenheit bei einem großen Konzertflügel, eine aufwändige und teure Spezialanfertigung. Der Vorteil beim Sampling ergibt sich dadurch, dass man per MIDI exakte Werte für die Anschlagsstärke (Velocity) vorprogrammieren kann. Damit der Pianist später ausdrucksvoll in die Tasten hauen kann, muss das Instrument neutrale technische Voraussetzungen mitbringen.

Velocity ist ein ganz großes Thema beim HAMMERSMITH, jede Note wurde mit 21 verschiedenen Werten gesampelt. Würde man jeden Ton nur einmal sampeln, könnten die 127 Velocity-Stufen des MIDI-Systems nur durch eine simple Lautstärkereglung umgesetzt werden. Das klingt unecht, denn beim richtigen Piano ändert sich die Stärke der Obertöne je nachdem, ob man leise oder laut spielt. Die Kombination von Volume-Regelung und 21 Velocity-Layern ergibt einen sehr authentischen Sound.

Ein Skeptiker fragt sich vielleicht, ob die Layer-Übergänge nicht hörbar sind. Ich habe deshalb für die nächsten Hörbeispiele per MIDI-Draw in Logic Pro einen Ablauf erstellt, bei dem der Velocity-Wert gleichmäßig von 0 auf 127 ansteigt.

Beispiel Note C3:

 

Beispiel Note G0:

 

Beispiel Akkord Am:

 

Wie man hören kann, sind die Vorbedingungen für ein ausdrucksvolles Pianospiel gegeben. Natürlich kommt es dabei auch auf das verwendete MIDI-Keyboard an. Am besten wäre eine echte Klaviertastatur. Bei diesem Test habe ich vorwiegend mein nostalgisches Masterkeyboard Roland MKB-300 benutzt, das immerhin gewichtete Tasten besitzt, die mehr Widerstand bieten, als eine typische Synthesizer-Tastatur.

Auf dem Hammersmith-Panel „Options“ findet man den Bereich EXPRESSION CONTROL. Hier lässt sich einstellen, wie die Software auf die Spielweise des Pianisten reagieren soll, wobei es natürlich auch eine Rolle spielt, wie die Tastatur das Spiel des Pianisten in MIDI-Velocity-Daten umsetzt. Der Velocity-Bereich lässt sich hier bei Bedarf eingrenzen, mehrere vorgegebene Kurven bieten Anpassungsmöglichkeiten.

Besonders nützlich ist der LEARN MODE. In drei Schritten lässt man die Software leise, mittlere und laute Spielweise analysieren. Das Ergebnis ist eine User-Velocity-Kurve, mit deren Hilfe bei gewohnter Spielweise das Optimale aus dem Instrument herausgeholt wird. Eine sehr gute Funktion, die mir gleich ein viel besseres Spielgefühl vermittelt hat.

Eine "erlernte" Velocity-Kurve

Eine “erlernte” Velocity-Kurve

Das „Options“-Panel bietet aber noch viel mehr Einstellungsmöglichkeiten. DETAIL CONTROL erlaubt es, viele Klangeigenschaften in der Intensität zu regeln oder die entsprechende Funktion ganz auszuschalten. Welche Parameter hier beeinflusst werden, lässt sich der Abbildung entnehmen.

Das Options Panel

Das Options Panel

Ein Beispiel zur DETAIL CONTROL

Die Funktion REAL PEDAL lässt bei getretenem Pedal die Töne nicht nur länger ausklingen. Stattdessen werden spezielle Sustain-Samples abgespielt, die wie bei einem richtigen Piano auch die Resonanzen der nicht angeschlagenen Saiten hören lassen. Ein kleiner aber feiner Unterschied. Hier ein Hörbeispiel, die gleiche Tonfolge erklingt zuerst mit ausgeschalteter, dann mit eingeschalteter REAL PEDAL-Funktion:

 

TUNING CONTROL stellt zahlreiche alternative Stimmungen zur Wahl. Eine eigene Stimmungs-Variante kann erstellt werden, und auch jede einzelne Note lässt sich nach Wunsch auf ein Cent genau stimmen bzw. verstimmen.

Mikrofonierung

Ein Naturinstrument, wie ein Flügel, gibt Schallwellen in alle Richtungen ab. Wenn man den gesamten Höreindruck einfangen will, muss man mit mehr als einem Mikrofon arbeiten.

Mikrofonierung im Aufnahmestudio

Mikrofonierung im Aufnahmestudio

Auch Mikrofone beeinflussen durch ihre Klang- und Richtcharakteristiken das Ergebnis einer Aufnahme. Soniccouture hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Sample-Aufnahmen mit unterschiedlicher Mikrofonierung durchzuführen. In der Pro-Version hat der User damit die Möglichkeit, den Flügel selbst „abzumischen“.

Links oben das Preset-Menü

Links oben das Preset-Menü

In der Abbildung oben ist das Preset-Menü aufgeklappt. Drei Fader regeln den Lautstärkeanteil der Mikrofone für Nähe, Mitte und Raumklang. Der Button „E“ öffnet jeweils die zugehörigen EQ-Einstellungen.

Zwei Hörbeispiele zum Vergleich unterschiedlicher Mikrofonierung:

1. Preset „Default“ mit einem Paar Neumann M49 für den Nahbereich:

 

2. Preset AKG D19 mit diesem als Hauptmikrofon:

 

Natürlich sind die Soundunterschiede gering, denn es handelt sich ja immer um das selbe Instrument und um sehr gutes Aufnahme-Equipment.

Wer den Sound stark beeinflussen will, hat auf der Hauptseite von THE HAMMERSMITH (Panel „Instrument“) die Möglichkeit, die Pegel der Aufnahmemikros selbst zu mischen und die Mikrofonkanäle mit einem 3-Band-EQ zu bearbeiten. Zusätzlich lässt sich eine einfache Hüllkurve (Attack und Decay) programmieren. Der Umfang der Bearbeitungsmöglichkeiten unterscheidet sich zwischen der Grundversion und der Pro-Edition, weil bei der zweiten mehr unterschiedliche Mikrofone verwendet worden sind.

Aufnahmemikrofone:

Nahbereich: Neumann M49 Paar, AKG D19

Mittlere Entfernung: Shoeps MK4 Paar, Neumann KM 133D Paar

Raummikrofone: Neumann M59 Decca Tree, Neumann KU10 (Kunstkopfmikrofon)

EQ Raummikrofone (Silhouette über dem Piano)

EQ Raummikrofone (Silhouette über dem Piano)

Effekte

Das Panel EFFECTS stellt Stereo-Weite, Kompressor, Filter und Raumeffekte (Space) zur Verfügung. Der Filterbereich verfügt über Lowpass und Highpass-Filter mit Resonanzregelung. Die Intensität lässt sich durch die Velocity beeinflussen. Bei den Raumsimulationen lassen sich Raumgröße, Hochpass und Tiefpass regeln. Die Space-Presets simulieren sowohl Studioräume als auch Halle oder Kathedrale. Auf Wunsch kann man sein Piano auch in einen Bambuswald oder in ein Grab (grusel!) stellen.

Effects Panel

Effects Panel

Beim nächsten Beispiel sorgt der interne Faltungs-Hall-Effekt „Concert Hall“ dezent für Räumlichkeit.

 

Unter der Haube

Diese technischen Spezifikationen sorgen für den Sound:

24 bit 48 khz Stereo Sampling
19 GB Library (mit NCW Kompression) – 52 GB in der Professional Edition mehr als 10.000 Samples / 30.000 Professional Edition
21 Velocity Layers
Intelligentes Anti-Repeat
Echtes Sustain Pedal Sampling
2 Stereo Mic Kanäle / 6 Kanäle in der Professional Edition

MIDI

MIDI-Noten von 21 (A-1) bis 108 (C7)

Controller: 64 (Sustain), 66 (Sustenuto) und 67 (Soft pedal)

Fazit

THE HAMMERSMITH von Soniccouture ist ein Sampling-Piano der Spitzenklasse. Der glasklare, detailreiche Sound präsentiert mehr als nur irgendeinen Steinway-Flügel. Der spezielle Klangcharakter des „Hammersmith“ genannten Instruments wurde authentisch eingefangen. Und dieser Charakter gefällt mir unwahrscheinlich gut! Sehr clever ist der integrierte „Learn Mode“, mit dem man die Reaktion des Instruments an seine eigene Spielweise anpassen kann. Der Dynamikbereich ist sehr hoch und sowohl pianissimo als auch fortissimo ist die Soundqualität exzellent. Die Grundversion verfügt über die gleiche Qualität wie die Pro-Edition, bei letzterer kann man allerdings mit 6 regelbaren Mikrofonkanälen sehr detailliert selbst mischen. Die Grundeinstellung, die nach dem Laden in KONTAKT bereit steht, hat mir so gut gefallen, dass ich sie für meine Hörbeispiele bis auf eine Ausnahme beibehalten habe. Von mir eine klare Kaufempfehlung und ein Fall für den „alpendeich award“!

Systemvoraussetzungen:

Jeder Mac oder PC auf dem NATIVE INSTRUMENTS KONTAKT oder KONTAKT PLAYER lauffähig ist.

Preise:

The Hammersmith Standard Edition € 99,-

The Hammersmith Professional Edition € 199.-

alpendeich-Redaktionstipp

Webseite des Herstellers: Soniccouture

Mein Test „Soniccouture Vibraphone“ hier…

Meine aktuellen Testberichte und mehr zum Thema Musik immer hier…

Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis meiner Artikel auf facebook hier…

6 Gedanken zu „Test: Soniccouture THE HAMMERSMITH

  1. Magnus

    Ich habe auch die pro Version – ein wirklich super Instrument mit vielen Einstellungsmöglichkeiten.
    Da ich auch viele andere Pianos als VST ausprobiert habe, darf ich sagen, dass das Hammersmith mit zu den Besten zählt.
    Anregung: könnten wir hier einige Setups für dieses Instrument zur Verfügung stellen?
    Mich würde interessieren, wie andere Musiker die Mikrophonierung vornehmen und welchen Klang das dann ergibt.

  2. juergen Beitragsautor

    Hi Magnus,
    Ja, Hammersmith ist zur Zeit mein absolutes Lieblingspiano! Ich finde eigentlich die Grundeinstellung schon gut und habe noch keine Mikrofonierung gefunden, bei der mir der Sound besser gefällt. Allerdings habe ich einmal den Hallraum ausgeschaltet und stattdessen ein anderes Plug-in verwendet.

    Jeder kann hier gern eigene Setups posten, mich würde es auch interessieren.

  3. Slobajudge

    There are three piano VST that beats all others, and that is VSL Vienna imperial, The Hammersmith pro, and Fluffy audio My piano. In my opinion, and I have almost all piano libraries, Fluffy audio My piano has the most realistic sound and touch on the market, it is a beautiful upright piano. Lots of other libraries has realistic sound, but when you play it, you dont feel it under fingers. Fluffy worth every penny. The Hammersmith pro and VSL Vienna are the best grand piano vsts on the market. Always go for Pro version of Hammersmith piano, because of mic mid position. The mid position is the key for this piano to really sound as Steinway meant to be.

  4. francisco martinez

    Guten tag.
    Ich habe die “standar version” von hammersmith soniccouture,und ich möchte biette wiessen ob meiner version schon genug ist oder pro version ist viel besser.
    in andere Seite,Können sie mir biette sagen ob die option für “half pedal/sustain in hammersmith gibt?
    Danke.
    Entschuldiging,mein Deutschkenntnisse ist nicht so mächtig.

  5. Jürgen Drogies Beitragsautor

    Hallo Francisco,
    der Sound der Standard-Version ist genauso gut wie in der Pro-Version. Das Piano wurde mit verschiedenen Mikrofonen aufgenommen. Die Samples der verschiedenen Mikros kann man wählen, in der Pro-Version gibt es mehr verschiedene Mikros. Aber gut ist der Sound immer.
    Es gibt die soft pedal Funktion (MIDI Controller 67) aber kein half pedal.
    Beste Grüße
    Jürgen

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