Test: iZotope – VocalSynth 2

Von | 9. Juli 2018

Elektronisch verfremdete Vocals sind aus heutigen Musikproduktionen nicht mehr wegzudenken. Fünf verschiedene Tools, die sich flexibel kombinieren lassen in einem Plug-in bietet VocalSynth 2 von iZotope.

Wir sind die Roboter

Von Kraftwerk bis Daft Punkt – Vocoderklänge kommen nicht aus der Mode. Während früher die Stimme der Schlümpfe noch Hardware erforderte, sind verfremdete Stimmen heute mit Plug-ins schnell realisierbar. Mit VocalSynth 2 ist vieles möglich, die totale Verwandlung einer Stimme, oder auch nur eine leichte Einfärbung, die den Gesang interessanter klingen lässt.

 

 

Auto Mode, MIDI Mode, Sidechain Mode

VocalSynth 2 kann direkt in eine Audio-Spur eingesetzt werden und reagiert dann automatisch auf Tonhöhen. Ein dreistimmiger Gesang mit programmierbaren Intervallen lässt sich automatisch erzeugen.

Einige Beispiele zum Auto Mode:

 

Richtig toll finde ich, dass mit einem Klick auf die Mode-Schaltfläche eine bebilderte Erklärung angezeigt wird, wie VocalSynth 2 in der gerade verwendeten DAW konfiguriert werden muss. Das ist wichtig bei der Verwendung der Sidechain-Funktionen.

 

 

Im MIDI Mode wird VocalSynth 2 in eine Spur eingesetzt, die MIDI-Signale empfangen kann, also eine Software-Instrumenten-Spur. Im aktuellen Logic Pro X heißt der Spuren-Typ “AU MIDI-gesteuerte Effekte“. Die Audio-Spur, die bearbeitet werden soll, wird über Sidechain zugeführt. Nun kann man Akkorde mit beliebigen Akkordwechseln auf dem Keyboard spielen, die entsprechend umgesetzt werden. Das geht natürlich nicht nur live, sondern auch mit MIDI-Aufnahmen.

Alle Soundeffekte in den Hörbeispielen, wie Distortion, Chorus und andere, wurden mit den On-Board-Effekten von VocalSynth 2 erzeugt.

 

Im Sidechain Mode werden zwei Audio-Aufnahmen verwendet. Dabei ist es zum Beispiel möglich, eine Audioaufnahme mit Gesang, Sprache oder einer Instrumental-Performance, ich nenne sie mal Spur 1, mit einem Drumloop von Spur 2 zu bearbeiten.

 

Pitch und Voicing

Das Eingangssignal durchläuft eine abschaltbare Tonhöhenkorrektur, deren Wirkungsgrad sich regeln lässt. Chromatische Tonleiter, Dur- oder Mollskala sind wählbar, außerdem gibt man den Grundton an. Im Custom-Modus lassen sich Noten einzeln ausschalten, sodass beispielsweise eine Melodie auf einen einzigen Ton gezogen werden kann. Abhängig vom Audiomaterial entstehen bei der Bearbeitung keine oder nur geringe Artefakte; der typische Autotune-Effekt wird nicht erzeugt.

 

Steuerung

Dem X/Y-Pad lassen sich jeweils 2 von 43 möglichen Parametern zuordnen, die dann stufenlos überblendet werden können.

 

 

Wenn man auf Anemone View umschaltet, lässt sich der Pegel aller Module mit Anfassern steuern. Die attraktive Grafik in Form einer mehrfarbigen Blüte zeigt die Anfangsbuchstaben der fünf Sound-Prozessoren. Je weiter ein Buchstabe nach außen gezogen wird, desto weiter entfaltet sich das jeweilige Blütenblatt und desto lauter wird der Pegel des jeweiligen Moduls im Mix. Die Bewegungen lassen sich selbstverständlich mit der DAW-Automation aufzeichnen.

 

 

Die Module

In der einfachen Ansicht sind jeweils die wichtigsten Parameter eines jeden Moduls verfügbar. Dazu dienen ein Level-Fader und drei oder vier Drehregler. Advanced View zeigt weitere Einstellmöglichkeiten für spezielle Bearbeitungen.

Bis auf das Modul Polyvox funktionieren die Voice-Prozessoren nach dem Vocoder-Prinzip: Die Vokale in einer gesprochenen oder gesungenen Audioinformation werden durch synthetische Sounds ersetzt, denen das Frequenzverhalten des Originals „aufgeprägt“ wird. Dazu besitzt Vocalsynth 2 einen Synthesizer, dessen Parameter sich im Advanced View des Moduls einstellen lassen.

Jedes Modul besitzt eigene Presets, die aus einem Ausklapp-Menü gewählt werden können und sich auch aufwärts und abwärts mit Pfeilsymbolen wechseln lassen.

 

Biovox

In der einfachen Ansicht dieses Moduls lässt sich die Sprachdeutlichkeit regeln, die Formanten können verschoben werden und der Stimme lässt sich ein nasaler Charakter verleihen. Dreht man „Breath“ auf, wird ein Flüster-Sound erzeugt. In der Ansicht Advanced View lassen sich nicht nur Synthesizer, Panorama und Filter programmieren, sondern mit dem Vowel-Pad kann der Klang der Vokale stufenlos in Richtung A – E – I – O – U verändert werden.

 

Das Biovox-Modul, advanced view

 

Für mein Hörbeispiel habe ich das Wort „stop“ einmal in Richtung A getunet (st-a-a-a-p) und einmal nach O.

 

Vocoder

Nur drei Regler sind hier zunächst sichtbar. Vintage bietet die Wahl zwischen sanftem, klassischem und modernem Vocodersound, Shift sorgt für ein brillantes oder ein eher dunkles Timbre. Scale hat nichts mit Tonleitern zu tun, sondern sorgt für eine akzentuierte oder weich fließende Sprachwiedergabe.

Wechselt man zur Advanced Ansicht lassen sich sowohl Pegel als auch Panoramapositionen der Vocoder-Frequenzbänder in der Balkendarstellung einzeln einstellen.

Auch hier ist wieder der Zugriff auf den Synthesizer möglich.

 

Vocoder, advanced view

 

Compuvox

Dieses Modul basiert auf Techniken, die schon in den späten 1960-er Jahren entwickelt wurden und erzeugt bewusst einen unnatürlichen, maschinenhaften „Roboter-Sound“.

Mit den Reglern Bits, Bytes, Bats fügt man dem Sound verschiedenartige Geräuschanteile hinzu. Spell hat drei Einstellungen, die dem gewollt künstlichen Klang einen unterschiedlichen Charakter verleihen. Auch hier ist die Synthesizer-Abteilung in der Einstellung Advanced zugänglich.

 

Talkbox

Das Modul Talkbox emuliert einen Pedal-Effekt, der als „sprechende Gitarre“ unter anderem durch Peter Frampton populär geworden ist. Der Effekt funktioniert nicht nur mit Gitarrenklängen, deshalb steht auch hier wieder der Synthesizer von VocalSynth 2 zur Verfügung.

Ich habe die virtuelle Talkbox mit meiner Gitarre ausprobiert. Dabei habe ich den Sidechain Mode verwendet, bei dem der Synthesizer nicht im Spiel ist.

Im Hörbeispiel erklingt zuerst die Gitarre allein, dann kommen zwei Talkbox-Beispiele. Im zweiten habe ich die Effektsektion von VocalSynth 2 zu Hilfe genommen und die Aufnahme absichtlich „zerhackt“.

 

Polyvox

Polyvox ist, wie der Name sagt, für die Polyfonie zuständig, also für die Mehrstimmigkeit. Der Klangcharakter der Stimmen wird durch die Regler Formant und Character beeinflusst und kann sowohl in Richtung Mickey-Mouse als auch Monster gehen, je nachdem wie es gewünscht wird. Mit der Funktion Humanize lassen sich die generierten Stimmen zeitlich und in der Tonhöhe gegeneinander verschieben. So lässt sich der Effekt einer Stimm-Dopplung erzielen.

 

FX

Im unteren Bereich des Plug-in-Fensters befindet sich eine Effekt-Kette mit 7 Effekt-Prozessoren.

Die Effekt-Kette – Reihenfolge konfigurierbar

 

Die Reihenfolge der Effekte lässt sich per Drag and Drop beliebig ändern. Jeder Effekt-Prozessor hat einen Ein/Aus-Schalter und drei oder vier Regler. Neben Standard-Effekten wie Chorus und Delay gibt es Spezialisten. Transform sorgt per Faltungs-Technik für das Modeling von Lautsprecherboxen, Gitarrenverstärkern und anderen Geräten. Es lässt sich ein Effekt wie beim Re-Amping erzielen. Shred schneidet kurze Abschnitte aus einer Audiodatei und wiederholt sie. Der Ring-Modulator erzeugt bei hohen Frequenzeinstellungen metallische Sounds, bei niedrigen lässt sich ein Signal damit rhythmisch zerteilen.

Im nächsten Hörbeispiel habe ich die Steuerung mit dem Anemone-Controller automatisiert. In jeder Gesangszeile wurde einer der Voice-Prozessoren im Mix hervorgehoben und wieder zurückgeregelt, wobei ich Wert auf weiche Übergänge gelegt habe. Die DAW-Automation von Logic Pro X musste dazu nicht besonders konfiguriert werden, alle Bewegungen der Bedienelemente konnten sofort aufgezeichnet werden.

 

Presets

VocalSynth 2 besitzt einen Preset-Browser, der in einem separaten Fenster geöffnet wird. Die Presets sind zahlreich und praxistauglich. Ich gehe meistens so vor, dass ich mir ein Preset aussuche, das mir gefällt und dann daran „schraube“. Falls das nicht zum Ziel führt, lässt sich mit einem Klick auf Default alles zurücksetzen und man kann eine Einstellung „from scratch“ vornehmen.

Der Preset-Browser in einem eigenen Fenster

 

Fazit

iZotope VocalSynth 2 ist eine gelungene Kombination von virtuellen Sound-Prozessoren. Die Bedienung ist weitgehend intuitiv, bei Bedarf öffnet ein Klick auf das Fragezeichen das online-Manual im Browser. Sprache und Gesang sind die Hauptanwendungen, aber auch beim Experimentieren mit anderen Quellen lassen sich interessante Ergebnisse erzielen. Künstlich generierte Harmoniestimmen und Vocodergesang klingen mit VocalSynth 2 klarer und verständlicher als es bei manchen Plug-ins anderer Hersteller der Fall ist. Wer mehr Wert auf spektakuläre Verfremdung legt, ist hier ebenfalls richtig. Jedes der fünf gleichzeitig verwendbaren Module hat seine eigenen Stärken. Die Effektkette kann sowohl für Räumlichkeit und sanfte Pad-Sounds sorgen, als auch schrille Klänge hervorbringen und das Audiosignal verzerren und zerstückeln. Die Steuerung mit dem Anemone Controller macht das Morphen zwischen den speziellen Sounds der Module möglich und zeigt das Pegelverhältnis auf ungewöhnliche und anschauliche Weise an. iZotope Vocal Synth 2 ist eine Empfehlung für alle, die ihren Vocaltracks eine elektronische Note verleihen, oder Stimmen total verwandeln wollen. Besondere Vorteile sind die Flexibilität und die Sound-Qualität.

Autor: Jürgen Drogies

 

Systemvoraussetzungen und Plug-in Formate:

Mac: OS X 10,8.5 (Mountain Lion) – macOS 10.13 (High Sierra)
Windows 7 – 10

Grafikkarte mit Open GL 2.0 Unterstützung

Audio Unit, AAX (64-bit), AAX-AS (64-bit AudioSuite),
RTAS (32-bit), DPM (64-bit AudioSuite), VST 2, VST 3

Preis: $ 199,-*

Hersteller: iZotope

*Preisangabe ohne Gewähr, entspricht dem Stand vom 07. 07. 2018* und wurde online ermittelt.

 

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