Test: Native Instruments – SUPERCHARGER GT

Von | 10. März 2014

Ob Amp oder Kompressor – Röhrengeräte haben Kultstatus, weil sie den Sound „färben“ und je nach Einstellung wärmer, angenehmer oder aggressiver machen. Moderne Software kann diese Eigenschaften nachbilden. So auch das neue Plug-in SUPERCHARGER GT, ein schneller, wirkungsvoller Kompressor mit vielen Einstellmöglichkeiten für den Klang.

Zwei Monate nach Weihnachten – oder 10 Monate davor: Update eines Weihnachtsgeschenks. NI-User durften den neuen Röhrenkompressor SUPERCHARGER umsonst herunter laden und bekommen nun zum halben Preis die erweiterte Version SUPERCHARGER GT. Lohnt sich das? Lohnt sich die Anschaffung zum Vollpreis, wenn man nicht zu den Beschenkten gehört?

Brauche ich den?

„How many compressors does a man really need?“ könnte man zur Melodie von „Blowin’ in the wind“ singen. Diese Frage kann ich nicht beantworten. Aber mit einer Beschreibung und einigen Soundbeispielen will ich meinen Lesern die Entscheidung erleichtern.

Was ist SUPERCHARGER GT?

Ein Kompressor Plug-in – und mehr. Jede DAW-Software hat Kompressoren im Lieferumfang. Wie bei den Hardware-Versionen wird damit der Dynamik-Bereich verkleinert und der Eindruck von Lautheit verstärkt. Die meisten Geräte beeinflussen zusätzlich den Klang und unterscheiden sich dadurch voneinander und vor allem unterscheidet sich der Sound von der Kompression, die ausschließlich durch Rechenoperationen in einem Computer erzeugt wird. Ein Gitarrist, der seinen Röhrenverstärker absichtlich übersteuert, liebt diesen Sound, genauso wie ein Toningenieur bestimmte Effektgeräte. Deshalb gibt es zahllose Software-Nachbauten bestimmter analoger Geräte, bei denen starke Aussteuerung leichte, als angenehm empfundene Verzerrungen hervorruft. Man spricht dann allgemein von „Sättigung“.

Mit SUPERCHARGER GT hat Native Instruments kein bestimmtes Gerät nachprogrammiert, sondern die Sättigungseigenschaften einem neuen virtuellen Kompressor hinzugefügt. Im Gegensatz zu den „Nachbauten“, bei denen meistens auch die Einschränkungen des jeweiligen Vorbilds berücksichtigt werden, konnte hier ein virtuelles „Wunschgerät“ entstehen. Zwar haben auch manche Vintage Plug-ins zusätzliche Features, die es beim Vorbild nicht gab, aber beim SUPERCHARGER GT konnten Eigenschaften und die Bedienungsoberfläche völlig frei gestaltet werden – und das haben die Entwickler auch sehr gut genutzt.

Die Bedienung

Bei der Vielzahl der heute verfügbaren Plug-ins halte ich eine übersichtliche, praktische Bedienung für eine der wichtigsten Eigenschaften überhaupt. Vielleicht kann ich eine bestimmte Klangbearbeitung mit drei Plug-ins, an denen ich stundenlang herum schraube, genauso hinbekommen, wie mit einem von der praktischen Sorte. Aber meistens möchte ich schnell zum Ziel kommen und freue mich über eine übersichtliche Bedienung und gut programmierte Presets für unterschiedliche Anwendungen.

– Zum Vergrößern Bilder bitte anklicken! –

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Im Zentrum: Die eigentlichen Kompressor-Einstellungen

Schnell zum Ziel

Die Bedienungselemente sind übersichtlich und logisch angeordnet. Zuerst regelt man dort, wo das Auge zuerst hinfällt, nämlich oben links, den Eingangspegel mit dem Trim Knob, bis der Input level indicator grün leuchtet. Nun wird die Ausgangslautstärke unabhängig vom Kompressionsgrad automatisch angepasst. Danach reicht unter Umständen schon die Auswahl eines der 25 Presets aus dem Ausklapp-Menü ganz oben um zum Ziel zu kommen.

Threshold und Ratio-Einstellungen, wie sie bei die meisten Kompressoren besitzen, gibt es nicht. Der große Knopf Compress in der Mitte dient zur Einstellung des Kompressionsgrads. Das zweigeteilte Display zeigt in dB links wie stark Lautstärkespitzen herunter geregelt werden, rechts den Ausgangspegel an.

GT

Attack- und Releaseregler gehören zu den Erweiterungen, die SUPERCHARGER GT vom auch noch erhältlichen einfachen SUPERCHARGER unterscheiden. Während bei der kleineren Version Attack und Release automatisiert sind, kann man beim GT gezielt eingreifen. Zusätzlich gibt es eine sehr praktische Funktion: Die Buttons Gentle, Punch, Slam schalten auf voreingestellte Attack- und Release-Werte um, die sich auch optisch auf die Regler-Positionen auswirken. Bei Bedarf lassen sich Feinjustierungen vornehmen.

Bei "mouseover" erscheint ein Zahlenwert anstatt "Attack" oder "Release"

Bei “mouseover” erscheint ein Zahlenwert anstatt “Attack” oder “Release”

Ein Feature, das nicht in der Bedienungsanleitung dokumentiert ist, entdeckte ich beim Testen: Befindet sich der Mauszeiger über einem der Buttons Attack oder Release, erscheint ein Zahlenwert, hier 5.00 unter dem Release-Regler.

 

Bearbeitung des Signals vor der Kompression

Bearbeitung des Signals vor der Kompression

Sidechain und Sättigung

SUPERCHARGER GT bietet die Möglichkeit ein externes Trigger-Signal für die Kompression zu verwenden. Mit Sidechain regelt man den Anteil dieses Signals, der Button rechts neben dem Knopf leuchtet, wenn die Funktion aktiv ist. Wie sich das anhören kann, demonstriert mein letztes Hörbeispiel zu diesem Artikel.

Sowohl vollausgesteuerte Magnettonbänder als auch Röhren in Verstärkern erzeugen Obertöne und im Extremfall Verzerrungen, die bei der Digitaltechnik normalerweise so nicht auftreten. Da dieser Effekt in verschiedenen Abstufungen je nach Stimme oder Instrument als angenehm empfunden wird, lässt er sich hier per Software erzeugen. Mit dem Regler Saturation verleiht man seiner Musik „analogen“ Klangcharakter, indem man den Knopf im Uhrzeigersinn dreht. Mit dem Schalter Mild/Moderate/Hot lassen sich unterschiedliche Sättigungsvarianten anwählen, gestaffelt nach Auffälligkeit des Effekts.

Ein weiterer Schalter auf der linken Seite der grafischen Oberfläche ist mit Detector HP beschriftet. Dahinter verbirgt sich ein Highpass-Filter, mit dem man tiefe Frequenzen aus der Kompression herausnehmen kann, damit sich diese nicht auf das Signal auswirken und eventuell einen ungewollten Pumpeffekt hervorrufen. Das kann vorteilhaft sein, wenn man SUPERCHARGER GT in einem Bus eingesetzt hat, der Spuren mit unterschiedlichen Sounds zusammenfasst.

 

Bearbeitung des komprimierten Signals

Bearbeitung des komprimierten Signals

EQ, Parallelkompression, Stereo-Modes

Rechts ermöglicht ein Drehregler von gleicher Größe wie der Saturation-Knopf eine Bearbeitung des Frequenzspektrums; seine Bezeichnung lautet Character. Auch hier verstärkt man die Wirkung durch Rechtsdrehung, mit einem Schalter lassen sich drei verschiedene Equalizer-Einstellungen wählen. Fat hebt Bässe und Höhen gleichzeitig an, Warm schwächt die Höhen ab und verstärkt die Tiefen, Bright verstärkt die Höhen und senkt die Bässe ab.

Heftige Kompression kann dazu führen, dass der Sound an „Biss“ verliert, deshalb hat man die Parallel-Kompression erfunden, bei der das unkomprimierte Signal dem komprimierten zugemischt wird. So werden harte Attackphasen wieder hörbar und der Sound klingt knackig und voluminös zugleich. Mit dem Mix-Regler rechts oben lässt sich ein beliebiger Grad an Parallel-Kompression einstellen.

Der Schalter rechts in der Mitte hat die Stellungen Stereo Link (automatischer Ausgleich der Kompression zwischen den Kanälen), Dual Mono (Kanal-unabhängige Kompression) und MS. Der letzte Modus bewirkt eine getrennte Kompression von Mitten- und Seitensignal und erzeugt einen verbreiterten Stereo-Eindruck.

Mit Output stellt man den den Ausgangspegel ein. Durch die Bearbeitung mit Sättigung und Equalizer kann eine Anpassung des Ausgangssignals nötig werden, obwohl der Kompressor über automatisches Makeup-Gain verfügt.

Zu den 25 Presets lassen sich User-Presets speichern, die Bedienungsanleitung (englisch) kann man direkt aus dem Plug-in heraus öffnen.

Hörbeispiele:

1. Drumkit ohne Kompression

 

2. Kick allein, 4 Takte ohne, 4 Takte mit Kompression

 

3. Snare allein, 4 Takte ohne, 4 Takte mit Kompression

 

4. Drumkit, 4 Takte ohne, 4 Takte mit Kompression auf Kick und Snare

 

5. Drumkit, jeweils 4 Takte mit vier unterschiedlichen Kompressor-Einstellungen auf der Summe (Drum-Bus)

 

6. Sidechain Kompression. Eine zusätzliche, stummgeschaltete Kickdrum triggert die Kompression

 

Fazit

Mit SUPERCHARGER GT ist Native Instruments ein gut klingendes Plug-in mit zahlreichen Funktionen gelungen. Ganz besonders gefällt mir die einfache und übersichtliche Bedienung. Viele Funktionen, die man von verschiedenen Plug-ins kennt, sind hier in einem zusammengefasst: Sättigung, Kompression mit Auto-Makeup-Gain, Klangbeeinflussung durch „Character“, Sidechain- und Parallelkompression. Hi-Pass-Filterung des Detektor-Signals und verschiedene Stereo-Konfigurationen einschließlich MS-Bearbeitung des Ausgangssignals bieten zusätzlichen Komfort.Eine eindeutige Empfehlung für jeden, der mehr will, als die Standard Plug-ins seiner DAW.

Preis: € 99,-
Update von SUPERCHARGER: € 49,-

Der einfache SUPERCHARGER ist weiterhin für € 49,- erhältlich.

Das Plug-in funktioniert mit Mac und PC
Schnittstellen: AU, VST, RTAS, AAX 32- und 64-bit

Website des Herstellers

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