Test: D16 Group – Antresol Flanger Plug-in

Von | 1. August 2015

Kürzlich habe ich mir nach vielen Jahren wieder einmal „Electric Ladyland“ von Jimi Hendrix angehört. So viele Flanger-Sounds hört man wohl kaum auf einem anderen Album! Heute schon geflanged? Versuch’s doch mal mit Antresol!

Historisches

Zur Zeit von Jimi, und auch zu meiner frühen Jugendzeit, ging Flanging so: Zwei identische Kopien einer Aufnahme wurden gleichzeitig mit zwei Tonbandmaschinen abgespielt und die Signale zusammengemischt. Der Toningenieur bremste dann bei beiden Wiedergabegeräten abwechselnd die Spulenränder (Flanges) sachte mit der Hand und erzeugte so teilweise extreme Phasenverschiebungen. Fertig war der Flanging-Effekt. Und ganz genauso kriegt ihn bis heute kein Hardware- oder Software-Effektgerät hin, behaupte ich mal.

Musiker wollten den Effekt auch auf der Bühne benutzen, deshalb kamen schnell entsprechen Geräte auf den Markt, zumeist Boden-Treter für Gitarristen und Keyboarder. Auch diese Geräte arbeiten mit Verzögerungen, in diesem Fall mit kurzen Delays deren Verzögerungszeit sich innerhalb eines Bereichs laufend ändert und so Phasenverschiebungen innerhalb des gesplitteten Signals erzeugt.

Flanging in der DAW

Die aktuellen Musikprogramme haben eine Vielzahl an Effekt-Plug-ins an Bord, ein Flanger dürfte fast überall dabei sein. Viele VSTis, bzw. AU-Instrumente für Mac-User, besitzen eigene Effekte. Bei den meisten dieser Flanger lassen sich nur die Intensität des Effekts und die Geschwindigkeit regeln.

Effektgeräte

Effektgeräte, die Verzögerungs-Effekte erzeugen, beherrschen meistens auch Flanging. Das gilt sowohl für Hardware als auch für Software-Emulationen. Die Effekte Flanger, Phaser, Chorus und Delay sind alle Verzögerungseffekte, die sich grundsätzlich nur durch die Verzögerungszeit unterscheiden. Beim Flanging ist die Zeit so kurz, dass man keine einzelnen Wiederholungen, also Echos des Signals hört. Original und bearbeitetes Signal liegen zeitlich so dicht beieinander, dass Phasenauslöschungen entstehen. Zusätzlich wird die Tonhöhe mit einem Low Frequency Oscillator (LFO) moduliert, genau wie bei der Tonbandmaschine, bei der sich mit der Bandgeschwindigkeit auch die Tonhöhe ändert, wenn das Band bei eingeschaltetem Wiedergabekopf gebremst wird.

Electro-Harmonix Electric Mistress, Herstellung Mitte der 1970er bis heute

Electro-Harmonix Electric Mistress, Herstellung Mitte der 1970er bis heute

Electric Mistress

Hardware mit Analog-Technik erzeugt den Effekt anders als es digitale Effektgeräte, oder eben Computer machen, und besitzt einen eigenen Sound. Besonders schön klingt die Stomp-Box „Electric Mistress“ von Electro-Harmonix, die eine Verzögerungsschaltung mit der Eimerketten-Technik verwendet. Hier wird der Ton nicht gesampelt, wie es bei digitalen Geräten der Fall ist. Das analoge Audiosignal wird stattdessen kurzzeitig in einem Kondensator gespeichert, dann an einen zweiten Kondensator weiter gereicht, dann an einen dritten und immer so weiter, eben wie bei einer Eimerkette.

GUI groß (wie hier) oder verkleinerte Darstellung möglich

GUI groß (wie hier) oder verkleinerte Darstellung möglich

Antresol

Das GUI von Antresol wurde logisch und übersichtlich gestaltet. Links im Kopfbereich regelt man mit PREAMP die Eingangslautstärke. Daneben lässt sich ein Ausklappmenü öffnen, das drei Qualitätsstufen für die Bearbeitung anbietet. Man kann hier auch MIDI-Controller zuweisen und zwei Darstellungsgrößen der Plug-in Grafik wählen. Diese Einstellmöglichkeiten stehen zusätzlich als kleine Icons am unteren Rand der Plug-in Grafik zur Verfügung. Dort erscheinen auch kurze Hilfetexte, während man eine Parametereinstellung ändert. Ein kleines Display zeigt den Namen des aktuellen Presets an, daneben gibt es die Preset-Verwaltung und einen Button, der unterhalb des Bedien-Panels die Preset Browser Ansicht öffnet.

Der übersichtliche Browser. Soundwahl durch Anklicken des Namens

Der übersichtliche Browser. Soundwahl durch Anklicken des Namens

Signalbearbeitung

Im Hauptbereich, der für die Bedienung der Signalverarbeitung zuständig ist, findet man links die Schaltmöglichkeit M/S oder Stereo. Antresol arbeitet mit 2 Kanälen. Es gibt die Option Mitten- und Seitenkanäle getrennt zu bearbeiten (M/S) oder den normalen Stereo-Modus. CH X-FADE erlaubt die beiden Kanäle zu überblenden und wahlweise in der Mittelstellung ein Mono-Signal zu erzeugen. LOW CUT bietet neben der „Mistress“-typischen Bass-Absenkung eine eigene Filter-Einstellung und die Stellung „Off“. Die Low Cut Einstellungen beeinflussen den später beschriebenen Feedback-Loop.

LFO

Für die zyklische Modulation des Signals sorgt ein LFO. Mit OFFSET bestimmt man die Zeitspanne zwischen dem „trockenen“ und dem verzögerten Signal. Der LFO lässt sich bezogen auf verschiedene rhythmische Notenwerte zum Host-Tempo synchronisieren oder zwischen 0,02 und 40 Hz mit dem Regler RATE frei einstellen. DEPHT regelt die Modulationstiefe. Da es sich bei Antresol um ein echtes Stereogerät handelt, sind die Regler OFFSET, RATE und DEPTH zweimal vorhanden. In der Default-Position sind die Regler gekoppelt, erkennbar an rot leuchtenden LEDs. Die Bedienung erfolgt dann über die obere Reihe. Wenn sie entkoppelt sind, lassen sich die Werte für jeden Kanal unterschiedlich einstellen. PHASE SHIFT erlaubt es, die Phasenlage der Kanäle gegeneinander zu verschieben.
Damit der Effekt musikalisch klingt, beeinflussen sich RATE und DEPTH. Bei einer hohen Modulationsrate wird die Modulationstiefe automatisch verringert.

LFO Einstellungen, auf Wunsch nach Kanal getrennt

LFO Einstellungen, auf Wunsch nach Kanal getrennt

Im Eimer

Virtuelle Instrumente und Gitarrenverstärker-Simulationen haben bereits bewiesen, dass es möglich ist die kleinen Ungenauigkeiten, Abweichungen und Verzerrungen analoger Schaltungen (fast) perfekt in die digitale Welt zu übertragen. MIt BBD (Bucket Brigade Device) emuliert Antresol eine analoge Eimerketten-Schaltung. Der zugehörige Regler im Plug-in-Fenster heißt TRUE BBD und hat neben der Stellung „Mistress“, die auf das Vorbild hinweist, noch zwei weitere Grundeinstellungen und damit die Möglichkeit, eine ganze Reihe zusätzlicher Parameter zu manipulieren. Sogar die Puffer-Größe der Eimerketten-Elemente lässt sich einstellen.

Anzeigen und Regler für die Eimerketten-Schaltung

Anzeigen und Regler für die Eimerketten-Schaltung

Feedback

Die Delay-Schaltung verfügt über eine Feedback-Schleife. Das Ausgangssignal wird wieder zum Eingang zurück geführt und noch einmal oder auch mehrfach durch die Signalbearbeitung geleitet. So entstehen intensive und zugleich angenehm harmonische Sounds. Die beiden Feedback-Regler bestimmen den Anteil des in den Feedback Loop eingespeisten Signals und sind als große Drehregler im rechten Drittel zu finden. Auch hier lassen sich beide Kanäle gemeinsam oder getrennt bearbeiten. Je nachdem, welche Einstellung mit dem M/S MODE-Schalter (ganz links oben unter PREAMP) gewählt wurde, handelt es sich um Mitte und Seiten, oder um den linken und rechten Stereokanal. Von der Mittenposition aus (kein Feedback) lässt sich durch Linksdrehung negatives und rechts herum positives Feedback erzeugen.

Feedback Regler wirken auf M/S- oder Stereokanäle

Feedback Regler wirken auf M/S- oder Stereokanäle

Mixer

Das rechte Drittel des Plug-in Fensters enthält die Mixer-Sektion. Hier lassen sich trockenes und bearbeitetes Signal manuell – oder automatisch im MISTRESS AUTO MIX MODE – miteinander mischen. Master Output-Regler und Output Meter bilden den Abschluss auf der rechten Seite.

 

Mixer und Output Sektion

Mixer und Output Sektion

Mistress oder mehr

Wenn alle mit „Mistress“ beschrifteten Schalter entsprechend eingestellt sind, verhält sich Antresol wie das Gitarreneffektgerät Electro-Harmonix Electric Mistress. Benutzt man die anderen Optionen, ergibt sich ein Feld weiterer Soundmöglichkeiten, die über die Fähigkeiten des Vorbilds hinausreichen.

Hörbeispiele

Gitarrensolo ohne Flanging:

 

Gitarrensolo mit Antresol:

 

Der gesamte Stereomix wird im Mittelteil mit Antresol bearbeitet:

 

E-Gitarren mit Flanging:

 

Rhodes E-Piano, 8 Takte ohne, dann 2 mal 8 Takte mit unterschiedlichen Flanging-Einstellungen:

 

Fazit

Wer den Flanging-Effekt liebt und mit den gebotenen Möglichkeiten von DAW und Plug-ins nicht zufrieden ist, sollte Antresol zumindest ausprobieren. Mir ist kein anderer virtueller Flanger bekannt, bei dem sich so viele Parameter beeinflussen lassen. Der Grundsound ist sehr gut und schon die Presets bieten eine weite Palette an Klängen. Wenn man gern an Sounds tüftelt, hat man hier ein weites Betätigungsfeld. Die Unterstützung der populären M/S-Technik ist ebenfalls ein Plus. Durch die Möglichkeit, Stereo-Kanäle getrennt zu bearbeiten wird es interessant, auch mal einen ganzen Mix durch Antresol zu schicken und gezielt zu modulieren. Der faire Preis spricht ebenfalls für dieses Plug-in.

Plug-in Formate: VST, RTAS, AAX, AU
Preis: € 39,-

Website des Herstellers: d16 group

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