Test: NATIVE INSTRUMENTS KONTOUR

Von | 26. März 2015

KONTOUR ist ein Phase-Modulation-Synth für REAKTOR, entwickelt von Stephan Schmitt, dem Gründer von Native Instruments. Phasen- und Ringmodulation, Waveshaping und Kammfilter sind einige Stichwörter zur komplexen Klangerzeugung.

Neben den beliebten Nachbildungen analoger Vorbilder gibt es bei den Synth-Plug-ins auch immer wieder Neuigkeiten wie KONTOUR, die einzigartige Sounds möglich machen. Dadurch werden Moog und ARP zwar nicht überflüssig, es lassen sich aber Klänge generieren, die nur in der digitalen Welt möglich sind. Schon die Erfolge der FM-Synthesizer haben gezeigt, dass digital nicht schlechter, sondern nur anders ist als analog. KONTOUR generiert Sounds mit Hilfe komplexer Algorithmen, die flexible, in Echtzeit modulierbare Klänge erzeugen.

Die Steuerungsmöglichkeiten eines Synthesizers sind ebenso wichtig, wie der Sound selbst, der nicht nur für Klangexperimente da ist, sondern in eine Performance integriert werden soll. Makro-Regler, mit denen sich mehrere Parameter gleichzeitig verändern lassen, sind da eine nützliche Sache; MIDI Controller, die direkten Zugriff auf ausgewählte Parameter bieten, ebenfalls. Bei der Konzeption von KONTOUR wurde darauf großen Wert gelegt.

Die Klangerzeugung

Als Klangquelle dienen zwei Sinus Oszillatoren mit den Fähigkeiten Phasen-Modulation, Waveshaping und Ringmodulation. Die Ähnlichkeit zur Klangerzeugung eines FM-Synthesizers ist dabei größer, als die zur subtraktiven Synthese eines Analog-Synths. Ein stimmbares Kammfilter und variables Feedback-Routing bilden eine Struktur, mit der sich komplexe harmonische Texturen erzeugen lassen. Metallisch, aggressiv oder soft und natürlich; es ist erstaunlich, was diese Klangerzeugung alles leistet!

Ein Wort zu den Abbildungen: Viele Bedienelemente wirken dort sehr klein; bitte auf die Abbildung klicken, um zur Originalgröße zu zoomen!

REAKTOR-Ensemble KONTOUR

REAKTOR-Ensemble KONTOUR

Ansichten

Nach der Installation findet man unter dem REAKTOR-Tab PLAYER den Eintrag KONTOUR. Mit Doppelklick oder auch per drag and drop öffnet man das Ensemble im Hauptfenster. Das Fotoapparat-Symbol ruft die Liste der 378 Presets auf, die in folgende Sound-Kategorien unterteilt sind:

Keys, Plucked, Metallic, Wind, Percussion, Bass, Lead, Pad, Soundscapes, SFX, Nonlinear Labs

Es gibt zwei Ansichten für das grafische Interface, A und B. Ansicht A besitzt einen waagerechten Volume-Fader mit Pegelanzeige und darunter vier Makro-Regler. Dazu gehören, als besonderes Feature von KONTOUR, die vier Motion Recorder, von denen jeweils einer sichtbar ist. Unter dem zugehörigen Motion-Display sind Schieberegler für Effektanteile.

Ansicht A

Ansicht A

Ansicht B stellt alle Bedienelemente zur Verfügung, die man braucht um Sounds zu programmieren und Parameter mit den Makro-Reglern oder externen MIDi-Controllern zu verknüpfen

Ansicht B

Ansicht B

Die Bedienung

Hier hat man sich bei Native Instruments wirklich Gedanken gemacht!

View A ist übersichtlich auf Performance optimiert, und obwohl die Oberfläche in der B-Ansicht viele Regler zeigt, ist auch dort die Struktur durch den logischen Aufbau nicht schwer zu verstehen.

 

Die Makro-Regler

 

Die Makro-Regler

Die Makro-Regler

Ansicht A

Die vier Makro-Regler haben die Bezeichnungen Drama, Color 1, Color 2 und Loudness.

Drama

Bis zu 11 Modulations-Ziele. Der Einfluss u. a. auf Distortion, Feedback und Effekt-Anteile sorgt dafür, dass der Sound mehr oder weniger „dramatisch“ wirkt.

Color 1

Bis zu 12 Modulations-Ziele. Typisch ist die Hervorhebung höherer Frequenzanteile, die das Instrument heller, schärfer, brillianter klingen lassen.

Color 2

Bis zu 12 Modulations-Ziele. Hier lassen sich Variationen des mit Color 1 bestimmten Grundklangs erzeugen und resonante Klanganteile hervorheben.

Loudness

Bis zu 9 Ziele. Die internen Levels der Sound Engine werden gesteuert. Nicht nur der allgemeine Lautheits-Eindruck wird verstärkt, sondern auch die Intensität der Obertöne.

Modulation

Die Regler lassen sich MIDI-Quellen zuweisen, beispielsweise dem Modulation Wheel oder einem Expression-Pedal. Sie können auch über die Sequenzer-Automation eines Host-Programms kontrolliert werden.

Die interne Modulation, die bei einem Synthesizer normalerweise durch einen LFO erzeugt wird, lässt sich mit einem wesentlich vielseitigeren Motion Recorder erzeugen. Jeder der vier Regler besitzt einen eigenen Motion Recorder. Wenn die Makro-Regler bereits mit Funktionen verknüpft sind, gibt es neben der Möglichkeit, sie mit Mauszeiger oder externem Controller zu steuern, diese automatischen Steuerung. Im Gegensatz zu einem LFO, der gleichförmige Modulationen generiert, kann ein Motion Recorder Modulationsabläufe steuern, deren Intensität und Timing sich frei bestimmen lassen. Mit einem Controller, dem Makro-Button oder der Maus kann im Display ein Ablauf eingezeichnet werden, der bei Tastenanschlag startet und einmal durchläuft, oder sich im Loop wiederholt. Viele zusätzliche Features, wie Scale, Sync, Offset, Steps, Smooth, Swing und auch Presets machen daraus ein flexibles Werkzeug.

Die nächste Abbildung zeigt die Modulation des Makro-Reglers LOUDNESS durch den Motion Recorder. „S“ bestimmt den Startpunkt beim Anschlag einer Taste, anschließend wird der Bereich zwischen „L“ und „R“ im Loop wiederholt.

Makro LOUDNESS moduliert mit MOTION RECORDER.

Makro LOUDNESS moduliert mit MOTION RECORDER.

Ansicht B

Der Kopfteil von Ansicht B enthält ebenfalls den Volume-Fader und die Makro-Regler, allerdings ohne das Motion-Recorder-Display. Um einem Makro-Regler Ziele zuzuweisen, muss Ansicht B sichtbar sein. Nach Klick auf „+“ neben einem Makro-Regler werden die Bezeichnungen der durch diesen Parameter modulierbaren Elemente im großen Fenster farbig unterlegt. Wenn man darauf mit gedrückter Maustaste zieht, erscheint ein farbiger Balken, der mit seiner Länge den gewählten Bereich der Modulation anzeigt. In einem Feld ganz rechts unter dem Volume-Fader werden während des Einstellens die entsprechenden Zahlenwerte sichtbar. Stellt man einen Motion Recorder auf PLAY wird die Darstellung im Display animiert, der zugehörige Makro-Regler und die Balken-Anzeigen der Ziel-Parameter bewegen sich. Das sieht nicht nur interessant aus, sondern ist auch eine optische Hilfe, durch die man sich schnell zurecht findet.

Die grün unterlegten Beschriftungen zeigen nach einem Klick auf das „+“ neben derm DRAMA-Regler, welche Ziele dafür zur Verfügung stehen. Zwei Ziele (rot eingekreist) wurden hier mit DRAMA bereits verknüpft. Überall wo ein grünes Label sichtbar ist, sind weitere Verknüpfungen möglich.

Modulationsziele DRAMA

Modulationsziele DRAMA

Keyboard Modulation

Direkt unter dem Schriftzug KONTOUR ist das Feld MOD ASSIGNMENT mit Buttons für folgende Modulationsquellen:

Velocity, Key Tracking, Pitch Bender, Modulation Wheel, Aftertouch

Hier funktioniert die Verknüpfung nach dem gleichen System wie bei den Makros. Nach Klick auf einen der Buttons erscheinen die Bezeichnungen der modulierbaren Parameter auf gelbem Hintergrund. Klickt man eines dieser gelben Felder an und zieht mit gedrückter Maustaste, erscheint ein kleiner gelber Balken, der mit seiner Länge die Intensität der Modulation anzeigt. Der Zahlenwert wird gleichzeitig in einem Feld dargestellt.

In der Abbildung ist VEL (Vetocity) ausgewählt. Alle gelb unterlegten Ziele lassen sich durch die Anschlagdynamik ansprechen:

Velocity Modulation, Verknüpfung mit Parametern

Velocity Modulation, Verknüpfung mit verschiedenen Parametern

Auch die Hüllkurven lassen sich nach diesem Verfahren als Modulationsquellen einsetzen, dazu ist ein Klick auf das kleine „+“ neben ihrer Bezeichnung erforderlich.

 

Die Synth-Engine

 

Die Synth-Engine von KONTOUR

Die Synth-Engine von KONTOUR

Sounds „schrauben“

Sechs hellgraue Flächen im Mittelteil bilden die Synth Engine Section. Sowohl zu Oszillator A, als auch zu B gehört ein Wave-Shaper. Die Oszillatoren lassen sich einzeln stimmen. Ein kleines Display zeigt den Pitch an, in der Grundeinstellung zeigt es die Ziffern 60 00 und außerdem die Einstellung für das Key Tracking. Die ebenfalls stimmbare Kammfilter-Einheit ist mit C (Comb Filter) bezeichnet, S steht für „State Variable Filter“. Zum tiefgreifenden Verständnis aller Regelmöglichkeiten empfiehlt sich das Manual, aber auch das freie Experimentieren mit den Reglern bringt sofort interessante Klang-Variationen hervor. Als Ausgangspunkt eignet sich eines der vielen Factory Presets. Wer einen Sound „from scratch“ erstellen möchte, wählt aus der Bank „Nonlinear Labs“ 001 INIT-Kontour.

Der dunkelgraue Bereich um die Synth Engine herum, ist für die „Weiterverarbeitung“ der Sounds und die Modulations-Zuweisung zuständig.

Ansicht B

Ansicht B

Auf der linken Seite ist die Envelope-Abteilung. Die Hüllkurven A und B sind jeweils sechsstufig ausgeführt, ENV P ist ein zusätzlicher Pitch-Envelope. Rechts findet man den Mixer, dessen Bezeichnungen A, B, C und S gleich erkennen lassen, mit welchem Part der Synth Engine die jeweiligen Fader verbunden sind. Positive und negative Werte lassen sich einstellen. Shaper und Feedback-Regler für den Gesamtsound sind ebenfalls rechts zu finden.

Effekte

Der untere Bereich in Ansicht B bietet Zugriff auf sechs Effekte, die speziell auf KONTOUR zugeschnitten sind:

CABINET, GAP FILTER, FLANGER, ECHO, REVERB

Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, mit den Fadern des Panels „F“ (Feedback) den Effekt-Output, oder auch nur den Reverb-Anteil, wieder in vorgeschaltete Stufen einzuspeisen, damit der Sound noch komplexer und vielschichtiger wird.

Hörbeispiele

 

 

 

 

 

Als nächstes ein kurzer Song. Alle Sounds wurden mit KONTOUR erzeugt, auch die Drums. Ich habe sechs REAKTOR-Instanzen verwendet. Alle Delay- und Halleffekte sind interne Effekte von KONTOUR.

 

Es geht auch härter:

 

 

Sound and Vision

Meine Beschreibung der Features von KONTOUR kann nur einen ersten Eindruck vermitteln. Wenn man ein paar grundsätzliche Dinge verstanden hat, geht das Ausprobieren oft schneller, als das Lesen einer Anleitung. Manchmal sind ziemlich viele Wörter nötig, um eine einfache Tätigkeit unmissverständlich zu beschreiben, dann ist es besser, man bekommt sie gezeigt. Ich präsentiere deshalb drei Tutorial-Videos in englischer Sprache, die man auf YouTube auch full-screen ansehen kann.

Noch mehr Infos:

Interview mit Stephan Schmitt

 

Fazit

NATIVE INSTRUMENTS KONTOUR gehört für mich zu einer neuen Generation von Software-Synthesizern, bei der neben einer innovativen Klangerzeugung auch die praktische Einbindung in eine Performance eingeplant wurde. Die Bedienelemente sind clever angeordnet, die komplexen Routing-Möglichkeiten für Modulationen sind leicht verständlich und übersichtlich. Eine Besonderheit sind die vier Motion-Recorder, die im Zusammenspiel mit den Makro-Reglern sehr komplexe Modulationen ermöglichen. Die zahlreichen Presets bieten eine Klangpalette, die von angenehm organisch bis zu wild und aggressiv reicht. Allein die zahlreichen hervorragenden Preset-Sounds rechtfertigen meiner Meinung nach die Anschaffung. Wer die Makroregler eines Presets steuert, erzielt damit schon eigenständige Klangvariationen. Die Synth-Engine mit Shaper, Feedback, Hüllkurven und Effekten bietet ein weites Feld zum Experimentieren.

Download-Größe:

25 MB (Mac / PC)

Systemvoraussetzungen:

REAKTOR 5 PLAYER oder REAKTOR 5 (beide Version 5.9.2).

Preis:

in NATIVE INSTRUMENTS KOMPLETE enthalten, einzeln € 99,00

Website des Herstellers

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2 Gedanken zu „Test: NATIVE INSTRUMENTS KONTOUR

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