Rock’n Roll und Angst vorm Fliegen

Von | 14. August 2021

Ich habe so viel erlebt, dass mir plötzlich die Idee kam, alles aufzuschreiben. Wer Lust hat, die Biografie eines weitgehend Unbekannten zu lesen, ist hier willkommen! Es ist sehr viel Musik-Historie dabei.

Rock’n Roll und Angst vorm Fliegen

Kapitel 1

Als ich 5 Jahre alt war bekam ich beim Metzger (so heißt das im Süden) ein Scheibe Mortadella dafür, dass ich einen Song „aus dem Radio“ vorgetragen habe. Als ich ca. 12 war, spielte in der Schulaula eine Schülerband mit roten E-Gitarren,  wie sie die „Shadows“ damals hatten. Sie spielten Apache, F.B.I und ähnliche Titel. Ich war total begeistert. Meine Mutter wollte mir unbedingt eine Gitarre zu Weihnachten schenken, aber ich dachte ich sei damit total überfordert. Ich bekam stattdessen eine Ukulele, die mich auch begeisterte. Ich machte sogar am Tonbandgerät Playback-Aufnahmen und stimmte für den Bass die tiefste Saite eine Oktave runter.

Ein Jahr später war es dann soweit, Ich bekam meine erste Gitarre. Eine rote Hopf Telstar, etwas ähnlich wie eine Fender Stratocaster. Jetzt drehte sich alles darum. Von Anfang an schrieb ich auch eigene Stücke.

Die Brüder Drogies 1964

Angst vorm Fliegen. So hieß ein erfolgreicher Roman, den ich allerdings erst nach meinem eigenen ersten Flugerlebnis kennengelernt habe. Da wird beschrieben, wie jemand sich mit den Arschbacken am Sitz „festklammert“, damit das Flugzeug nicht abstürzt. Genauso erging es mir bei meinem ersten Flug mit meiner Freundin nach Tunesien. Diese Freundin ist übrigens inzwischen für mich die allerbeste Ehefrau der Welt!. 

 Wir sind seit 44 Jahren verheiratet.

Während des Urlaubs haben wir viel Interessantes gesehen und erlebt. Unter anderem ist meine Frau auf einem Kamel geritten. Ich habe zum ersten Mal bewusst schwule Männer getroffen. Erst habe ich nichts kapiert. „Die sind ja hier total nett zu Fremden!“ Dann grinste Sigrid und stieß mich an. Da ist der Groschen endlich gefallen. Meine Wildlederjacke mit Fransen wurden während dieses Urlaubs geklaut. Der Rückflug ging etwas besser. Trotzdem wollte ich nie wieder in einen Flieger steigen. Das hielt ich durch bis 2015. Da heiratete unser Sohn auf Long Island. Zwei Dinge kamen auf mich zu: angemessene Kleidung und der Flug. Mein Hausarzt verschrieb mir ein Beruhigungsmittel. Ich dachte „Mehr hilft mehr.“ Das war ein Fehler. Unter anderem habe ich Pudding mit den Fingern gegessen. Reden wir nicht weiter darüber!

Mein Hemd ist aus Tunesien. Norberts hat aber auch ein cooles Muster!

Zurück zur Musik. Mein Bruder Norbert, vier Jahre jünger als ich, wurde zum Schlagzeuger. Da ich gerade über Jahre rede: Ich bin 1947 geboren. Zunächst trommelte er auf Pappkartons, Verpackung für Trumpf Schogetten. Aber meine Mutter konnte das nicht lange mit ansehen. Ein Schlagzeug musste her. Ich erinnere mich gut an das wunderschön funkelnde rote Sonor-Schlagzeug. Zu erst kam die Snaredrum, dann nach und nach die anderen Trommeln und Becken. Das wurde zu laut für die Wohnung, also wurde nach Alternativen gesucht. Jemand suchte Tanzmusiker, also sind wir dort hingefahren worden. Von meinem Vater im VW-Kombi, was er später noch sehr oft gemacht hat. Überhaupt muss ich meine Super-Eltern mal würdigen, die bei allem und jedem geholfen haben. Meine Mutter machte genug von dem nicht allzu reichlichen Geld locker, um einen Dynacord-Verstärker zu kaufen. Das Schlagzeug war auch nicht billig. Mit den Tanzmusikern lief es nicht gut. „Könnt ihr den Schneewalzer?“ Am Ende der Session spielte mein Bruder das Schlagzeug und ich spielte und sang eigene Kompositionen mit höchster Lautstärke, die durch das Kleingartengebiet schallten, wo „auf Parzelle“ geübt wurde.

Kapite 2

The Outcasts

Nun kommt mein Schulfreund Fritz ins Spiel. Mit ihm gründete ich die allererste Schülerband. Auch er spielte Schlagzeug. Für viele Schüler endete die Schulzeit mit der Mittelstufe. Es gab eine Feier und dabei den ersten Auftritt unserer Band „The Outcasts“. Den Namen hatte ich aus einem Song der Animals. Fritz spielte Schlagzeug, ich Gitarre und mein Bruder war auch wieder dabei. Ich erinnere mich an eine Hohner Melodica, die dort gespielt hat. Bei dieser Veranstaltung fiel unsere Klassenlehrerin beim Beatles-Song „And I love her“ in Ohnmacht.

Es stellte sich heraus, dass mein Bruder Norbert der bessere Drummer war. Fritz wurde zum Manager der Band. Seinen Eltern gehörte das Hotel zur Post. Als ich bei ihm eingeladen war, führte er mir die Musiktruhe vor. Da habe ich zum ersten Mal „Rock’ around the clock“ gehört. Echter Rock’n Roll, obwohl für meinen Geschmack zu Swing-mäßig. Der englische Rock gefiel mir meistens besser, obwohl man hören konnte, dass da Amerikaner wie Buddy Holly oder Elvis Presley starken Einfluss hatte, um nicht zu sagen imitiert wurden. Ich mochte Cliff Richard sehr, vor allem, als er noch von den Shadows begleitet wurde.

Ich hatte im Zeichnen, so hieß damals das Fach Kunsterziehung, fast immer eine Eins. Meine Schulhefte waren voller Zeichnungen, aber Menschen kann ich bis heute nicht darstellen. Ich habe sehr oft Elvis gezeichnet, mit etwas schiefem Mund und Haartolle, aber richtig ähnlich wurden die Bilder nie.

Fritz hat neben dem Management von Auftritten auch Geräte gekauft und Abzahlungsverträge beim Musikhändler Hoins ausgehandelt. Bald spielte ich nicht mehr über den Dynachord, sondern über einen VOX AC30. Die Telstargitarre klang trotzdem etwas blechern. Sie wurde als Twist-Modell beworben und zum Lieferumfang gehörte eine Demo-Schallplatte. Ich gab sie in Zahlung und kaufte ein gebrauchte VOX-Gitarre. Sie war genau wie eine Fender Stratocaster, bis auf die Kopfplatte. Viel später habe ich gelesen, dass VOX anfangs Gitarren bei Fender herstellen ließ. Wahrscheinlich hatte ich also schon eine Strat! Die neue Ausrüstung klang einfach sahnig, verglichen mit der ersten.

Hopf Telstar Standard

Link zum Telstar-Artikel

Leider habe ich damals zu viel Wert auf Markennamen und teure Modelle gelegt. Ich fand den Sound des Gitarristen Mick Abrahams (ehemals Jethrio Tull) von „Blodwyn Pig“ so toll, dass ich auch eine Gibson SG Standart haben wollte. Also wurde wieder in Zahlung gegeben. Nach ein paar Jahren bildete ich mir ein, die Gitarre klänge nicht mehr so gut wie anfangs. Das ist natürlich Blödsinn, ich konnte nur nicht so gut damit umgehen, wie meine Profi-Vorbilder. Der Händler war aber auch zufrieden, er nahm sie in Zahlung und bot eine Fender Telecaster Custom an, die hatte einen Single-Coil Tonabnehmer und einen Humbucker, also das beste beider Welten. Die habe ich heute noch und war für alle Produktionen ab 1976 mein Hauptinstrument.

Unser Musikhändler Hoins hatte seinen Laden im Souterrain. Es gab einige Stühle im Laden, wo man sich auch ohne etwas zu kaufen hinsetzen konnte und mit Kollegen fachsimpeln. Nicht schlecht, weil man das von außen durch das Schaufenster sehen konnte und es immer so aussah, als wäre da viel los! 

Zurück zu den Anfängen. Als Übungsraum stand ein Jugendheim zur Verfügung. Leider hatten wird die Oberlichter nicht geschlossen, und der Schall drang nach draußen. Da kam auch schon die Polizei: „Wir haben eine Anzeige wegen Ruhestörung erhalten.“ Der Reihe nach wurden die Personalien aufgenommen. Als die Reihe an mich kam, fragte der Beamte ironisch „Und wie ist ihr Name, Doktor?“ Ich antwortete entsprechend: „Dr. Drogies.“

Inzwischen bestand die Band aus vier Mitgliedern. Für Kontakte sorgte immer mein Bruder, der viel kontaktfreudiger war als ich und es heute noch ist.

Wir hatten Auftritte in zahlreichen Jugendheimen, in Bremen, Bremerhaven und Umgebung. Bei einem Auftritt in Bremerhaven lernte ich meine Frau kennen. Ich sah sie sofort an einem Tisch mit zwei Freundinnen sitzen. Ich dachte, ich hätte keine Chance, sie kennen zu lernen. Denn eine Bekanntschaft anknüpfen, so etwas konnte ich doch nicht! In der Pause standen die Mädchen plötzlich vor der Bühne. Es war eine der Freundinnen, die sich für den Orgelspieler unserer Band interessierte, weshalb sie vor die Bühne gekommen waren. Ich überwand meine Zurückhaltung und wir verabredeten uns für den nächsten Samstag am Bremerhavener Fernsehturm! Als ich dort ankam, war niemand zu sehen. Kein Wunder, denn ich war auch viel zu spät dran. Mich überfiel ein Katastrophengefühl. Keine Adresse, wir würden uns nie wiedersehen… Ich fuhr langsam sie Straße hinunter in Richtung Innenstadt. Keine Spur – doch da!  Ich hielt neben ihr und konnte sie sogar überreden, einzusteigen. Von da an wurde alles gut. Aber ich habe sie im Verlauf der Jahre noch oft warten lassen – und das tut mir leid!

Ich war mit dem Abi fertig und wusste nicht, was ich werden sollte. Profi-Musiker, dazu war ich zu vorsichtig. Meine Mutter arbeitete bei der Pädagogischen Hochschule. „Komm, doch hierher, hier sind alle nett!“ Ich tat es und war dann fast 40 Jahre lang Lehrer.
Angst vorm Fliegen sehe ich auch als Metapher für meinen weiteren Lebenslauf. Mein Bruder gründete eigene Firmen, ich blieb am Boden als Beamter auf Lebenszeit.

Einmal trat ich mit den Outcasts als Solo-Sänger auf. Das kam so: Während meiner Ausbildung, ich hatte auch Kunst als Fach,   gab es einen Kurs Linolschnitt. Die Dozentin wies ausdrücklich darauf hin, vom Körper weg zu schnitzen. Zack! Schon hatte ich das Messer im Mittelfinger. Und es blutete wie verrückt! Ich wickelte die Wunde mit Tempo-Taschentüchern ein und fuhr mit unserem Band-VW-Bus nach Hause. Das Lenkrad war waagerecht und ich lenkte mit einer Hand und einem Arm. Zu Hause kam es dann ans Licht: Arzt nötig, Wunde nähen, Gipsverband. So konnte ich nicht Gitarre spielen, also war ich einmal der Sänger.

Ein anderes Mal hatten wir einen Gig in Heidelberg, vermittelt von einer Studentenorganisation. Wir fuhren am am selben Tag hin und wieder zurück. Während in Bremen Eis und Schnee lagen, gingen wir dort an einem plätschernden Bach spazieren und die Luft fühlte sich nach Frühling an. Weil der VW-Bus streikte, waren wir mit 2 Leihwagen gefahren. Auf dem Rückweg blieb der mit Norbert und mir auf der Höhe von Frankfurt stehen. Wir fanden im Schneegestöber Unterschlupf in einer Autobahn-Toilette. Es gab ein Telefon, aber es dauerte lange, bis jemand zu Hilfe kam und das Auto wieder in Gang brachte. Das erste Mal, dass ich einen Wagen mit Automatik gefahren bin. Zu Hause waren wir mächtig fertig und durchgefroren, denn die Heizung im Leihwagen hatte auch nicht richtig funktioniert.

Jede Story ist einmal zu Ende. Diese noch nicht. Wer mehr erfahren möchte über D.R.P., Thirsty Moon und Back to the Moon, findet unter den nachfolgenden Links weitere Informationen:
https://www.backtothemoon.de
https://www.facebook.com/thirstymoon.official/
https://www.facebook.com/juergen.drogies/
https://www.facebook.com/juergensmusic

2 Gedanken zu „Rock’n Roll und Angst vorm Fliegen

  1. Ulf

    Hallo Jürgen, ich war – auch wenn ich fast 2 Jahrzehnte jünger als du bin  – überrascht, dass da so einiges bei uns gleich war: Ich habe meine erste E-Gitarre mit 14 bekommen (einen Strat-Nachbau), mein Bruder hat auch auf Pappeimern und sonstigem rumgetrommelt, ist nach wie vor Schlagzeuger in einer Band – um nur zwei Dinge zu nennen. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.
    Viele Grüße, Ulf

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    1. juergenD Beitragsautor

      Hi Ulf,
      freut mich, dass du Interesse hast und Danke für den Kommentar!
      LG Jürgen

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