Test: Celemony Melodyne 4 studio

Von | 6. April 2016

Wenn bei Celemony eine neue Version von Melodyne erscheint kann man sicher sein, dass einzigartige neue Funktionen enthalten sind. So ist es auch bei der Version 4.

Überblick

Melodyne macht es möglich, jeden Ton einer Audioaufnahme, ob einstimmig oder mehrstimmig, als Note darzustellen. Die Noten erscheinen in Form von „Blobs“ innerhalb eines Rasters, das vertikal die Notennamen und horizontal die Zeitposition anzeigt. Intonation, Phrasierung, Dauer, Dynamik und Klang jeder Note können individuell bearbeitet werden. Die Software lässt sich sowohl Stand-Alone als auch als Plug-in in einer DAW verwenden.

Man kann sagen, dass sich Melodyne seit Jahren als Studiostandard etabliert hat, wenn es um Tonhöhenkorrektur geht. Anfangs war das nur mit Einzelstimmen möglich, aber mit Einführung der DNA-Funktion wurde Melodyne im Jahr 2008 zur ersten Software, die polyphones Material zuverlässig analysieren konnte. Mit der Version 4 ist es jetzt auch möglich, Tempo- und Klang zu manipulieren.

Neu in Melodyne 4 studio

  • Sound Editor
  • Multitrack Note Editing
  • Spurübergreifende Makros
  • Tempoerkennung
  • Bessere Notenerkennung
  • Timestretching und Pitchshifting für ganze Mixe
  • Dynamische Reinstimmung
  • Bessere Bedienbarkeit, mehr Tastaturbefehle

Weil nicht jeder alle Funktionen braucht, gibt es nach Ausstattung und Preis gestaffelte Versionen, die jeweils Upgrade-fähig sind. Für diesen Test wurde die Studio-Version verwendet.

 

Melodyne 4 studio mit dem neuen Sound Editor

Melodyne 4 studio mit dem neuen Sound Editor

 

Zu diesem Test

Während ich diese Zeilen schreibe, kann man bereits mehrere Testberichte online finden. Damit sich mein Artikel von den anderen unterscheidet habe ich mir vorgenommen, besondern Wert auf eine Demonstration praktischer Anwendung zu legen. Ich nenne das einen „projektorientierten Test.“ Ich möchte gleich darauf hinweisen, dass die Hilfefunktionen von Melodyne 4 sehr gut sind und auf der Website von Celemony jede Funkton ganz genau erklärt wird, dazu gehören auch zahlreiche Videos. Schon beim Start von Melodyne 4 erscheint ein Fenster mit einem Link zum sehr gut gemachten Einführungsvideo. Ich habe deshalb auch auf ganz ausführliche Erklärungen, z. B. zum Sound Editor verzichtet.

Projekt 1 – Gitarren-Synth

Um synthetisch klingende Sounds mit einer akustischen Gitarre zu spielen, kann man zahlreiche Plug-ins einsetzen. Nur mit Melodyne ist es möglich, nicht nur jede Note einzeln, sondern sogar jeden Teilton der Obertonreihe zu manipulieren. Für mein Projekt habe ich eine kurze Akustikgitarren-Aufnahme benutzt. Man hört zuerst die Originalaufnahme und danach verschiedene Bearbeitungen mit dem Sound Editor von Melodyne 4 studio.

 

Um diese Sounds zu erzeugen, habe ich im Sound Editor die Bereiche Harmonics, EQ und Synth eingesetzt. In jedem Bereich lassen sich per Schieberegler unterschiedliche Parameter beeinflussen. Die Teiltöne werden als schmale Balken dargestellt und lassen sich einzeln oder in ausgewählten Gruppen vertikal verschieben. Das erinnert an einen EQ mit vielen Frequenzbändern. Im Unterschied zum EQ werden aber nicht Frequenzbereiche einheitlich für alle Noten angehoben oder abgesenkt, sondern für jede einzeln. Wenn ich also den dritten Teilton bearbeite, ändert sich bei der Note C der dritte Teilton bezogen auf den Grundton C und bei allen anderen Noten entsprechend.

Um Klangverläufe zu erzeugen, habe ich im Bereich Synth Hüllkurven eingezeichnet.

 

Drei Hüllkurven bestimmen den Klangverlauf.

Drei Hüllkurven bestimmen den Klangverlauf.

 

Synth-Voice

Die Gesangsaufnahme, die ich hier mit extremen Einstellungen des Sound Editors bearbeitet habe, ist im Verlauf dieses Testberichts noch öfter im Original zu hören.

 

Projekt 2 – Tempo

Die neue Tempo Funktion bezieht sich nicht nur auf die zeitliche Anordnung einzelner Noten, die konnte man auch schon in den Vorgängerversionen von Melodyne an das Timing anpassen. Es geht um das Songtempo, das immer etwas schwankt, wenn nicht nach einem Klick eingespielt wird. Bei solchen Live-Darbietungen kann das Tempo beispielsweise im Refrain von 120 BPM auf 122 BPM ansteigen, was nicht als Fehler, sondern als lebendiges Spiel empfunden wird. Melodyne kann in der Stand-Alone-Version solche Tempoänderungen erkennen und nachträglich hinzugefügte Aufnahmen rhythmisch anpassen.

Für mein Hörbeispiel habe ich „Greensleaves“ mit der Konzertgitarre gespielt und ohne Klick oder Flex-Quantisierung in Logic Pro X aufgenommen. Die Spur habe ich im WAV-Format exportiert und in das Spurenfenster von Melodyne 4 studio gezogen. Dann habe ich mir im Native Instruments „Studio Drummer“ einen Drum-Groove im Dreivierteltakt ausgesucht und als Audio-Track exportiert. Nachdem ich die Datei in Melodyne dem Projekt hinzugefügt hatte, folgte der Drummer dem Tempo mit allen Schwankungen. Auch das Ritardando am Schluss wurde erkannt. Allerdings klang es im Mittelteil seltsam. Was man dem Gitarristen als solistische Freiheit noch gestatten konnte, klang beim Drummer irgendwie holperig. Ich habe deshalb in zwei Takten manuell die Gitarre und die Drums so verschoben und aneinander angepasst, dass es musikalisch klingt.

Eine tolle Sache bei Melodyne Stand-Alone ist es, dass man die Spuren als separate Dateien exportieren kann. Ich habe Gitarre und Drums wieder in Logic importiert und dort ohne Quantisierung per MIDI-Tastatur ein Ride-Becken dazu gespielt. Der Mix der drei Spuren erfolgte dann in der DAW mit den Möglichkeiten, Hall und Kompression einzusetzen.

 

 

Stand-Alone Version: 2 Spuren und Tempo Kurve

Stand-Alone Version: 2 Spuren und Tempo Kurve

 

Die nächste Abbildung zeigt graue und farbige Blobs. Die grauen Blobs sind Noten, die als Referenz dienen. Die farbigen Blobs sind Noten im Editier-Modus und können mit den Werkzeugen in der Tonhöhe, Lautstärke, Modulation und Zeitposition angepasst werden. Referenz- oder Editiermodus lassen sich in der Seitenleiste links einstellen.

 

Anpassen der Zeitposition

Anpassen der Zeitposition

 

Projekt 3 – Gesang

Tonhöhen- und Timing-Korrektur von Gesangs-Aufnahmen sind die wahrscheinlich am meisten genutzten Funktionen von Melodyne. Für diesen Teil des Tests habe ich die Plug-in-Version von Melodyne 4 studio mit Logic Pro X eingesetzt. Für die Vocal-Tracks kam der neue Multitrack Editor zum Einsatz. In der Abbildung sieht man 4 Spuren, 3 davon grau als Referenz, die vierte Spur ist farbig und befindet sich im Editier-Modus. Alle Spuren, die eine Instanz von Melodyne enthalten, erscheinen im Multitrack-Modus im Plug-in Fenster.

Die Blobs der zu bearbeitenden Spur können mit den Werkzeugen nach der Referenz ausgerichtet werden. Automatisches Quantisieren ist auch möglich, aber mit der Hand kann man alles so anpassen, wie man möchte, ohne dass es irgendwie mechanisch klingt. Kleine Timing-Unregelmäßigkeiten habe ich zugelassen, das klingt einfach realistischer. Beim Bearbeiten mit dem Haupt-Timing-Werkzeug werden benachbarte Blobs mit beeinflusst, damit der Ton niemals plötzlich abreisst. (Falls das gewollt ist, kann man Noten aber auch hart trennen). Mit einem Unter-Werkzeug lässt sich ein Punkt (Time Handle) definieren, von dem aus sich Verschiebungen innerhalb eines Blobs vornehmen lassen. Ich habe beide Tools verwendet.

 

Plug-in, Multitrack Editor

Plug-in, Multitrack Editor

 

In diesem Projekt geht es darum, den Jungs von Santiano Konkurrenz zu machen. Ich habe dafür die Mannschaft des Segelschoners „Pechschwarze Perle“ angeheuert. Leider kannten die den Song nicht. 🙁 Ich habe es ihnen leicht gemacht und einen nach dem anderen ohne lästige Instrumentalbegleitung aufgenommen. Einen Metronom-Klick gab es allerdings auf die Ohren, sonst wären sie noch weiter rhythmisch auseinander gedriftet, als es in der Rohfassung so schon der Fall war. Die ersten vier Matrosen durften alles auf einen Ton singen, so Pi mal Daumen auf „D“. Die Melodie habe ich dann daraus mit Melodyne erzeugt.

Im Hörbeispiel singt zuerst Jan, der Koch. Im folgenden Abschnitt singen zusätzlich Hein und Klaas und Pitt – mehr oder weniger unisono. Eher weniger! Jetzt muss Melodyne ran. Danach stimmt es mit dem Rhythmus. Eigentlich wollte ich es bei diesem Mini-Shanty-Chor bei 4 Sängern belassen, aber nachdem Pitt wegen zu hoher Gagenforderung ausgebootet worden war, kam noch der Schiffsjunge Kevin dazu. Er durfte gleich eine höhere zweite Stimme singen. Am Ende hat er es mit dem Vibrato übertrieben.

 

 

So wurde Kevins Vibrato in Melodyne 4 mit dem Vibrato-Werkzeug reduziert:

 

Links übertriebenes Vibrato, rechts bearbeitet

Links übertriebenes Vibrato, rechts bearbeitet

 

Drunken Sailor

Für einen kurzen Song habe ich noch ein paar Instrumente eingespielt, die Meoldie mehrstimmig durch Verschieben der Blobs in Melodyne gebaut und ein Intro erstellt. Für das Vocal-Intro mussten einige Gesangsnoten verlängert werden, auch das war durch in die Länge ziehen der entsprechenden Blobs ohne weiteres möglich. Man könnte jetzt noch das Timing des Chorgesangs tighter an den Groove anpassen. Ich habe absichtlich leichtes Verschiebungen eingestellt, um der Sache eine „human touch“ zu verleihen. Für meinen Geschmack schon zu viel „human touch“ – aber wäre die Story vom Laien-Shanty-Chor sonst noch glaubhaft?

 

 

Ich hoffe, dass den blauen Jungs vom Schoner „Pechschwarze Perle“ ihre Aufnahme gefällt. Ist ja englisch gesungen, vielleicht hört es auch mal Captain Jack Sparrow von der „Black Pearl“, von dem die Legende sagt, dass er zur Zeit unter dem Pseudonym Johnny Depp in Hollywood Karriere macht.

Fazit

Als Werkzeug zur Tonhöhenkorrektur behauptet Celemony Melodyne seit langer Zeit den Spitzenplatz. Einige DAW-Programme besitzen heute auch eine solche Funktion, teilweise in Zusammenarbeit mit Celemony, teilweise mit eigenen Entwicklungen. Die Fähigkeiten von Melodyne reichen aber inzwischen weit über die Grundfunktion hinaus. Als Stand-Alone Programm beherrscht die neue Version Multitracking und intelligente Tempoanpassung. Die bearbeiteten Spuren lassen sich gemeinsam in Stereo oder einzeln exportieren. Sowohl das Stand-Alone Programm als auch das Plug-in verfügen über Multitrack Note Editing und den einzigartigen Sound Editor. Damit kann Melodyne 4 nicht nur Aufnahmen verbessern, sondern aus dem Audiomaterial eigene Sounds generieren. Die neue Version ist eine gelungene Weiterentwicklung und bietet spannende Funktionen für innovatives Sound-Design.

“Spezialisten leisten immer etwas Besonderes” – bei Melodyne ist das zweifellos der Fall!
Die internen Funktionen aktueller DAW-Programme sind aber für manche Anwendungen durchaus ausreichend. Hier mein Test von Logics Flex-Pitch. Eine weiteres Spezialprogramm, das ebenfalls sehr gute Ergebnisse liefert, aber andere Schwerpunkte hat, ist Revoice Pro von Synchro Arts. Mein Testbericht dazu hier…

 

Systemvoraussetzungen

Melodyne 4 essential, assistant, editor und studio

OS X:

Intel Dual Core Prozessor (Quad Core oder besser empfohlen), 4 GB RAM (8 GB oder mehr empfohlen), OS X 10.6.8, 10.9.5 oder 10.11.3

Windows:

Intel oder AMD Dual Core Prozessor (Quad Core oder besser empfohlen), 4 GB RAM (8 GB oder mehr empfohlen), Windows 7, 8.1 oder 10 (64 Bit empfohlen), ASIO-kompatible Audio-Hardware

Für die Registrierung ist ein Internetzugang erforderlich.

iLok: Falls iLok benutzt werden soll, wird für Melodyne 4 ein iLok 2 benötigt. iLoks der ersten Generation werden nicht mehr unterstützt.

Preise:

Melodyne 4 studio 699,00 €

Melodyne 4 editor 399,00 €

Melodyne 4 assistant 249,00 €

Melodyne 4 essential 99,00 €

 

Upgrade/Update-Preise auf Melodyne studio 4

von Melodyne studio 3 149,00 €

von Melodyne editor 149,00 €

von Melodyne assistant 449,00 €

von Melodyne essential 599,00 €

 

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Eine Tabelle mit den Features der verschiedenen Versionen gibt es hier…

Zum kostenlosen Ausprobieren stehen Testversionen zum Download zur Verfügung.

Website des Hersteller: Celemony

 

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Ein Gedanke zu „Test: Celemony Melodyne 4 studio

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