Test: Celemony Melodyne 5

Von | 3. Juli 2020

Eine neue Versionsnummer von Melodyne weckt hohe Erwartungen. Celemony enttäuscht die User nicht. Neben einer noch weiter verbesserten musikalischen Tonhöhenkorrektur bietet Melodyne 5 viele neue praktische Funktionen.

Celemony Melodyne 5
Celemony Melodyne 5, hier als Standalone-Application.

Die wichtigsten Neuheiten in Kürze:

  • Algorithmus “Melodisch” jetzt mit getrennter Verarbeitung von tonalen und geräuschhaften Anteilen
  • musikalischere Analyse der Tonhöhenabweichungen
  • Akkordspur und Akkordraster für die Tonhöhenbearbeitung, Akkorderkennung
  • Fade-Werkzeug und Leveling-Makro für die Dynamikbearbeitung
  • neuer Algorithmus “Perkussiv tonal”, verschiedene Algorithmus-Verbesserungen
  • Suchfunktionen und speicherbare Sets für Tastaturbefehle

Aus 1 mach’ 3!

Die Tonhöhenbearbeitung ist für die meisten Anwender wohl die wichtigste Funktion von Melodyne. Im allgemeinen werden Intonations-Fehler damit ausgebessert. Gesungene Noten haben aber nicht von Anfang bis Ende genau dieselbe Tonhöhe. Bisher hat Melodyne die vorhandene Höhe nach dem Durchschnitt berechnet und zur Zielfrequenz hin korrigiert. Mit dem neuen, noch musikalischeren Algorithmus wird das Ein- und Ausschwingen der Noten nicht mehr mit einbezogen, sondern die Ruhephase, die vom Gehör als eigentliche Tonhöhe wahrgenommen wird, ist ausschlaggebend. Sibilanten, vor allem Zischlaute, aber auch andere geräuschhafte Anteile am Gesang, wie Atmen, werden nicht mehr in der Höhe verschoben. Dadurch klingen Transpositionen noch natürlicher, vor allem, wenn man Noten gleich um mehrere Töne verschiebt, wie ich es im folgenden Beispiel getan habe.

Die Stimme der Sängerin stammt aus einer Sampling-Library. Im ersten Arbeitsgang habe ich die Tonhöhe korrigiert, da hat sich nur wenig verändert, möglicherweise sind die Samples schon entsprechend „vorbehandelt“ worden. Dann habe ich mit Melodyne 5 zwei zusätzliche Stimmen erzeugt: Die eine Kopie klingt eine Quarte tiefer, und die andere um eine Terz höher als die Grundstimme. Das Gesangs-Trio klingt recht überzeugend, finde ich.

Damit die Stimme angenehmer klingt, wurde Hall hinzugefügt.
Die Originalstimme
Die Originalstimme
3-stimmig
Zwei zusätzliche Stimmen wurden mit Melodyne 5 erzeugt.

Das neue Sibilanten-Werkzeug

Sobald man eine Stimme mit EQ-Bearbeitung präsenter macht und komprimiert, treten Zischlaute störend hervor. Ein De-Esser, ob Hardware oder Software, kann hier Abhilfe schaffen; es ist aber nicht immer leicht ihn so einzustellen, dass er nur die Zischlaute verringert und sonst den Klang nicht verändert. Wenn der Algorithmus „melodisch“ verwendet wird, stellt Melodyne 5 Sibilanten jetzt automatisch schraffiert dar. Mit einem neuen Werkzeug lassen sie sich – einzeln oder in Mehrfachauswahl – in der Lautstärke verändern. So lässt sich Melodyne auch sehr gut als De-Esser einsetzen. Man muss bei der Auswahl nur aufpassen, dass nicht auch andere Laute als „s“ „sch“ und „z“ verändert werden. Bei meinem nächsten Beispiel hätte ich beinahe aus Versehen „t“ von „s-Laute“ ausgeblendet.

Sprache ohne und mit Bearbeitung
Sibilanten schraffiert
Sibilanten werden schraffiert dargestellt.
Sibilanten-Werkzeug
Das Werkzeug zur Sibilanten-Bearbeitung gehört zu den Amplitudenwerkzeugen. In der Abbildung ist außerdem darüber das ebenfalls neue Fade-Werkzeug zu sehen, mit dem Noten mit individuellen Ein- und Ausblenden versehen werden können.
Sibilanten leiser
Sibilanten, leiser gezogen mit dem Sibilanten-Werkzeug.

Akkordarbeit

Melodyne verfügt über die Fähigkeit, polyphones Material zu analysieren und jeden Ton einzeln editierbar zu machen. Das neue Melodyne 5 ist jetzt zusätzlich in der Lage, Akkorde zu erkennen und in üblicher Buchstaben-Schreibweise darzustellen.

Nachdem man im „Bearbeiten“-Menü „analysieren“ gewählt hat, zeigt Melodyne 5 die passenden Akkordsymbole an. Soll eine Audioaufnahme einer im Song bereits vorhandenen Akkordfolge angepasst werden, ist es möglich, eine oder mehrere dieser Spuren zu analysieren, um die Akkorde herauszufinden.

Aus einem einzigen Akkord lässt sich eine Akkordfolge erzeugen, indem die Symbole manuell eingetippt werden.  Alternativ kann Melodyne die Akkorde einer Referenz-Spur anwenden.

Die Akkordfolge wurde nach 4 Akkorden durch manuelle Eingabe von Akkordbuchstaben verändert.
Akkorde analysieren
Akkorde erkennen mit der Funktion “Akkorde analysieren”.
Arpeggio
Nach der Analyse erscheinen oben die Akkordbuchstaben.

Wenn Akkordbezeichnungen eingetippt werden, ändern sich die Akkorde entsprechend. Dazu muss “Auf Akkord-Skala einrasten” mit Häkchen versehen werden, wie es auf der nächsten Abbildung zu sehen ist. Dort werden bereits die umgewandelten Akkorde angezeigt. Aus: Dm C Dsus2 wurde: Em G Asus2.

einrasten
Auf Akkord-Skala einrasten

Die Einstellungen für die Akkordanzeige findet man im Ausklappmenü, das über das kleine Dreieck rechts neben dem Notenschlüssel sichtbar gemacht wird.

Wenn das Akkordraster aktiviert ist, rutschen die Noten beim Verschieben gleich auf die richtigen Akkordtöne!

Pegelanpassung

Egal ob Instrument oder Gesang, es kommt immer wieder vor, dass einzelne Töne in einer Aufnahme zu laut oder zu leise sind. Mit Melodyne 5 gibt es jetzt eine praktische Möglichkeit, die Lautstärke prozentual anzugleichen. So können auch einzelne Noten innerhalb eines Akkords angeglichen werden.

Pegelanpassung
Pegelanpassung
Leise und laute Töne wurden wie in der Abbildung oben angepasst.

Weitere neue Funktionen

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Neuheiten – hier in Stichworten:

Algorithmus “Perkussiv tonal” für Instrumente wie Tabla, Marimba oder 808-Kick, “Robuste Tonhöhenkurve” bei starkem Raumanteil des Signals, Stretched Tuning zur Anpassung z.B. an Konzertflügel-Stimmung, Verbesserungen bei den Synthese-Funktionen, speicherbare Tastaturbefehls-Sets und mehr. Alle Möglichkeiten von Melodyne 5 sind in der (deutschsprachigen!) Anleitung beschrieben, die man aktuell auf der Celemony-Website findet und als PDF herunterladen kann. Zu jedem Themenbereich gibt es außerdem anschauliche Videos in englischer Sprache.

Mehr Beispiele zur Vielseitigkeit von Melodyne, auch zur Synthese-Funktion, enthält mein Artikel zu Melodyne 4 hier…

Fazit

Celemony Melodyne 5 erweitert die Möglichkeiten der Bearbeitung von Audioaufnahmen mehr als jemals zuvor. Die automatische Sibilanten-Erkennung ist eine tolle Sache. Melodyne lässt sich so auch als De-Esser einsetzen, geräuschhafte Anteile wie Atmer können ebenfalls gezielt bearbeitet werden. Durch die neue Tonhöhnen-Bewertung klingen Korrekturen noch musikalischer. Geräuschanteile werden nicht mehr mit transponiert, sodass alls noch natürlicher klingt. Eine einzigartige Funktion ist die Akkord-Erkennung und -Anpassung. Damit belegt Melodyne 5 meiner Meinung nach weiterhin den Spitzenplatz innerhalb seiner Software-Sparte und punktet mit Klang-Qualität und Vielfalt der Editier-Möglichkeiten.

Plug-in Formate: VST 3, AU, AAX
ARA-Betrieb mit kompatiblen DAWS

Systemvoraussetzungen

macOS: Intel Dual Core Prozessor (Quad Core oder besser empfohlen), 4 GB RAM (8 GB oder mehr empfohlen), macOS ab 10.12

Windows: Intel oder AMD Dual Core Prozessor (Quad Core oder besser empfohlen), 4 GB RAM (8 GB oder mehr empfohlen), ab Windows 10, ASIO-kompatible Audio-Hardware

Aktivierung: Rechnerbasiert oder iLok-USB-Dongle (2. oder 3. Generation), Melodyne essential nur rechnerbasiert. Für die erste Aktivierung ist ein Internetzugang erforderlich.

Hersteller: Celemony

Preise: Die Preise sind je nach Version gestaffelt, außerdem gibt es entsprechende Update-Angebote. Genaue Angaben auf der Herstellerseite hier…

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