Test: e-instruments SESSION KEYS ELECTRIC R

Von | 17. März 2015

Das Fender Rhodes E-Piano gehört zu den Kult-Instrumenten, deren Sound begehrt ist wie eh und je. Mit dem KONTAKT-Instrument SESSION KEYS ELECTRIC R ist ein neues virtuelles Mark I erschienen, das neben authentischem Grundsound auch zur Erzeugung „abgefahrener“ Klänge verwendet werden kann.

Darum lieben wir es…

Für die einen ist es Pink Floyd, für die anderen Chick Corea. Mir fällt spontan „New kid in town“ von den Eagles ein: „You look in her eyes, the music begins to play…“ Auch eine Gitarrenband braucht manchmal Tasten! Aber Nostalgie bei Seite – der Sound des Fender Rhodes ist noch immer aktuell und begehrt.

NATIVE INSTRUMENTS KONTAKT mit SESSION KEYS R

NATIVE INSTRUMENTS KONTAKT mit SESSION KEYS R

e-instruments

Die Hamburger Software-Firma „e-instruments“ wurde bekannt durch die von Native Instruments vertriebenen Sampling Libraries SESSION STRINGS und SESSION HORNS sowie deren Pro-Versionen. Im eigenen Vertrieb werden neben Produkten für Ableton Live die KONTAKT-Instrumente der Reihe SESSION KEYS angeboten; getestet habe ich hier SESSION KEYS ELECTRIC R.

ELECTRIC R

Um das Piano zu spielen, wird Native Instruments KONTAKT 5.2.1 benötigt oder der kostenlose KONTAKT Player. Die Library belegt nach dem Download 5,6 GB auf der Festplatte. Der Ordner mit den Daten kann auch auf einem anderen als dem Startvolume gespeichert werden. Nachdem man KONTAKT gestartet hat, wird ELECTRIC R mit „Add Library“ hinzugefügt und erscheint im KONTAKT-Browser. Nach einem Klick auf den Button „Activate“ und Eingabe der Serien-Nummer kann es losgehen.

Das Instrument

SESSION KEYS ELECTRIC R basiert auf einem Rhodes Mark I Stage Piano Baujahr 1976, das mit acht Einzelausgängen modifiziert wurde. Die Line-out Aufnahmen wurden für die „Studio“-Abteilung der Library verwendet. Alle Samples sind zusätzlich in einer „Live“-Version vorhanden. Diese wurden mit Mikrofonen aufgezeichnet, während das Piano über einen Amp zu hören war. Zwischen den beiden Sample Sets kann man verzögerungsfrei während des Spiels umschalten.

Im Hauptfenster unten links ist der Umschalter zwischen Studio- und Live-Sound:

Studio vs. Live

Studio vs. Live

Hier gleich zwei Hörbeispiele, eingespielt mit dem Default-Sound „Clean and Dry“ und ohne zusätzliche DAW-Effekte. Im ersten Abschnitt ist die „Studio“-Variante zu hören, im zweiten „Live“:

Das Ganze noch einmal, aber jetzt mit aufgedrehtem „Crunch“-Regler:

Die Piano Section

Die Möglichkeiten, den Sound den eigenen Vorstellungen anzupassen, sind sehr umfangreich. Aus Platzgründen lassen sich nicht alle Bedienelemente gleichzeitig sichtbar machen. Es gibt deshalb Tabs, mit denen Pop-Ups aufgerufen werden, um verschiedene Sektionen anzuzeigen.

04-piano-section

Nach dem Start erscheint die „Piano Section“. Sie bietet Zugriff auf die wichtigsten Klang-Parameter. Hier gibt es einen kräftig zupackenden Equalizer für Bass und Höhen und die Dynamik-Kontrolle, mit der sich der Dynamikbereich einschränken lässt. Mit einem Regler kann man die Lautstärke des anschlagabhängigen „Crunch“-Anteils bestimmen. In der Mitte des Bedienfelds erscheint ein besonders interessantes Element, der „Pentamorph“ Fader.

Mit dem 5-eckigen „Pentamorph Fader“ lässt sich zwischen fünf verschiedenen Klangeinstellungen umschalten (Klick auf eine Bezeichnung der Eckpunkte) oder stufenlos überblenden (gedrückte Maustaste auf und ab). In der extremsten Einstellung werden die Samples rückwärts abgespielt. Das geht auch in Echtzeit und lässt sich per DAW-Automation steuern. Ich konnte ohne zusätzliche Einstellungen mit der Maus gesteuertes Morphing mit der Automation von Logic aufnehmen.

Noch einmal die Grundeinstellung „Clean & Dry“ mit dem „Studio“.Sound, hier mit einer automatisierten Fahrt durch den Pentamorph-Kosmos:

Settings

Ein kleines Zahnrad führt zum Pop-up mit den globalen Einstellungen für Stimmung und Anschlagdynamik.

Settings

Settings

Die Sound Section

Einstellungen, die man in den untergeordneten Bereichen „Tonality“ und „Effects“ vorgenommen hat, lassen sich als eigenes Sound Preset benennen und speichern. Der Name erscheint dann am Ende der Liste der Factory Presets im Dropdown-Menü, das neben dem Namen des aktuell eingestellten Sounds zu finden ist (kleines Dreieck).

Tonality Pop-up

Tonality Pop-up

Tonality

Der Tonality Pop-up Dialog enthält die Parameter-Einstellungen, die den Sound am meisten beeinflussen. Die Lautstärke der Resonanztöne bei gedrücktem Haltepedal lässt sich ebenso regeln, wie die Intensität von Nebengeräuschen. Der Abstand der klangerzeugenden „Tines“ von den Tonabnehmern kann verändert werden und damit der glockenartige Anteil am Sound. Die in Attack und Decay regelbaren Hüllkurven und die Möglichkeit, bei entsprechender Einstellung des Pentamorph Faders rückwärts ablaufende Samples beizumischen, machen aus dem Piano schon fast einen Synthesizer. Hier wird die Grenze von der Klangregelung zum Sound-Design überschritten. EDM-Musiker und Filmkomponisten werden das sicher besonders zu schätzen wissen.

Effects

Das Pop-up Fenster„Effects“ erlaubt die Ansteuerung von sieben verschiedenen Effektgeräten, deren Bedienelemente nach Klick auf ein Tab sichtbar werden: Tremolo, Chorus, Phaser, Amp, Compressor, Delay und Reverb.

Effects Pop-up

Effects Pop-up

Neben seinem Namen schaltet man den jeweiligen Effekt ein oder aus; bei eingeschalteten Effekten leuchtet ein weißes Lämpchen. Effekt-Paramter lassen sich mit Drehreglern einstellen, deren reduzierte Darstellung mich an Ableton live erinnert. Die schlichte Oberfläche macht das Ganze sehr übersichtlich und so soll es ja auch sein. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, einen oder mehrere Parameter mit dem Pentamorph Fader zu koppeln. Weiße Linien zeigen jeweils an, welche dafür vorgesehen sind. In der Abbildung sind es die Einstellungen für „Depht“ und „Speed“ des Phasers.

Die Effekte klingen alle sehr gut, so wie ich es von der KONTAKT-Umgebung gewöhnt bin. Soweit es sinnvoll ist, hat man ihnen bis zu sechs Regler spendiert (z. B. beim Compressor). Beim Reverb gibt es ein Ausklapp-Menü für 20 verschiedene Raumsimulationen und einen Mix Regler für den Effektanteil. Die sinnvolle Wahl der Effekte und Parameter-Bereiche beschleunigt den Workflow.

Einige Effekt-Einstellungen:

Da geht noch mehr…

Die Smart Chord Section

Wie bei den anderen SESSION Instrumenten von e instruments (und nicht nur bei diesen) gibt es eine Smart-Chord Funktion. Hier lassen sich Akkorde einer ausgewählten Tonart (Dur, Moll, Dominant 7, Dorisch) mit jeweils einer weißen Taste des virtuellen 1-Oktav-Keyboards oder des angeschlossenen MIDI-Keyboards triggern. Zusätzlich gedrückte schwarze Tasten bewirken Akkord-Umkehrungen oder Erweiterungen (sus4. +7, +9). Links neben dem virtuellen Keyboard sind zwei weitere Tasten abgebildet, die den MIDI-Noten C-1 und D-1 auf der externen Tastatur entsprechen. Wenn eine davon aktiv ist, wird dem jeweiligen Akkord ein weiterer Grundton oder eine Quinte im Bassbereich hinzugefügt.

Smart Chords

Smart Chords

Etwas gewöhnungsbedürftig ist vielleicht, dass der Grundton jeder Tonart immer der Taste „C“ zugeordnet wird; ich muss also C spielen, auch wenn ich beispielsweise in E-Dur den Grundakkord hören will. Allerdings ändern sich die Notennamen entsprechend im Kontakt-Fenster, das man dann am besten im Auge behält.

Zusätzlich gibt es die in der Intensität regelbare Funktion „Humanize“, welche dafür sorgt, dass die Smart Chords nicht zu „maschinenhaft“ klingen. Hier werden die Akkordtöne nicht genau synchron ausgelöst, sondern es klingt so, als wenn der Spieler nicht alle Finger hundertprozentig gleichzeitig aufsetzen würde.

Dem aktuellen Trend zu Pad Controllern (z. B. Native Instruments MASCHINE) entsprechend, lassen sich Akkorde wahlweise auch Pads zuordnen. Setups für Geräte der MASCHINE-Familie werden mitgeliefert und ihre Templates sind am Ende der Bedienungsanleitung abgebildet.

Smart Chrods mapping für Pad-Controller

Smart Chrods mapping für Pad-Controller

Der Animator

Der Animator ist ein MIDI-Phrasen-Player, der sich an eine Komposition anpassen lässt. Die vorprogrammierten Piano-Phrasen bedienen verschiedene Stilrichtungen und sind in Songs gruppiert. Jeder der Songs enthält bis zu sechs Phrasen, die jeweils für eine bestimmte Funktion, wie Intro, Verse, Bridge, Chorus, End vorgesehen sind. Die Phrasen eines jeden Songs lassen sich gegen Phrasen eines anderen austauschen. Die so erstellten eigenen Songs können unter einem neuen Namen gespeichert werden. Es stehen mehr als 200 Phrasen zur Verfügung. Die Phrasen passen sich in der Tonalität den Akkorden an, die man mehrstimmig mit der Hand oder auch per Smart-Keys spielt.

Animator mit Keyboard und Browser

Animator mit Keyboard und Browser

Im Animator Pop-up werden Songs über ein Ausklapp-Menü gewählt. Dieses wird oberhalb der senkrechten Tastatur geöffnet, welche die Funktionstasten anzeigt, mit denen sich die Animator Patterns während des Spiels umschalten lassen. Als Funktionstasten dienen die MIDI-Noten C-2 bis A-2 – also ganz links außen – die natürlich auch im Editor eines Sequenzers eingezeichnet werden können.

Die Animator-Phrasen können aber nicht nur umgeschaltet, sondern auch während des Spiels beeinflusst werden. Mit dem Modulation Wheel lässt sich in drei Stufen ihre Komplexität bestimmen. Das Pitch Wheel kann alternativ oder zusätzlich zum Tastenanschlag die Anschlagstärke steuern. Ein Swing-Parameter ist ebenso vorhanden, wie eine Umschaltung des relativen Tempos der Darbietung auf halbe oder doppelte Geschwindigkeit.

Pop-Begleitung mit dem Animator:

Funky Animator mit ausgetauschter Schluss-Phrase:

Fazit

Vom Fender Rhodes existieren zahlreiche virtuelle Versionen, zum Teil wird Physical Modeling verwendet, zum Teil Sampling. Meiner Ansicht nach ist SESSION KEYS ELECTRIC R die beste davon. Hier gibt es den authentischen Sound eines Fender Rhodes Mark I in zwei Versionen: direkt über Line Out am Mischpult – und mikrofoniert über eine Verstärkeranlage, wie beim live-Spiel. Beides hat seinen eigenen Reiz und ist wirklich toll umgesetzt. Der hohe Qualitätsstandard, den ich schon von den SESSION STRINGS und SESSION HORNS kenne, wird auch hier erreicht.

Die Effekte klingen durchweg sehr gut und sind in ihren Regelmöglichkeiten dem Instrument angepasst. Die zusätzlichen Reverse Samples inspirieren zu interessanten Klanggestaltungen mit dem genialen Pentamorph Fader. Smart Keys und Animator gehen in ihren Möglichkeiten über das hinaus, was man von ähnlichen Funktionen bei anderen Produkten kennt. Die geschmackvolle Grafik erhöht den Spaß-Faktor. Die Bedienung ist übersichtlich und leicht zu erlernen – für mich eine klare Kaufempfehlung.

Systemvoraussetzungen

Jeder Mac oder Windows-Rechner, auf dem Native Instruments Kontakt 5.2.1 oder der Kontakt Player lauffähig ist.

Details

10,6 GB, Download-Größe 5,6 GB (verlustfreie Sample-Kompression)

24 Bit, 44,1 kHz

Preis

€ 79,—

Website des Herstellers: e-instruments

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